Wien - Ein brisantes vatikanisches Dokument enthüllt die Hintergründe für die umstrittenen Bischofsernennungen in Österreich nach 1985. Der ehemalige Nuntius Mario Cagna übte in dem 20-seitigen Schreiben heftige Kritik an den damaligen österreichischen Bischöfen. Gegenüber dem Zeitgeist hätten diese "selten Festigkeit in ihren Positionen" gezeigt, heißt es in dem Text, aus dem das Ö1-"Morgenjournal" am Mittwoch zitierte.

Laut ORF trägt das Schreiben das Datum Jänner 1985. Cagna war von 1976 bis 1984 apostolischer Nuntius in Österreich. Im September 1985 wurde der Rücktritt des Wiener Erzbischofs König angenommen, im Jahr 1986 der umstrittene Benediktinerpater Hans Hermann Groer zum Nachfolger Königs ernannt und ein Jahr später Kurt Krenn zum Bischof geweiht.

In dem Dokument schrieb Cagna, "es scheint unglaublich, dass unleugbar gute und fromme Hirten sich nicht nur von irregeleiteten und rebellischen Professoren, Priestern und Laien überspielen lassen, sondern sie auch noch auf verantwortungsvollen Posten tolerieren, sie ernennen und sich auf sie verlassen. Gleichzeitig werden jene, die den Papst und die Hierarchie unterstützen, in die Verbannung geschickt." Als "irregeleitete und rebellische" Professoren werden u.a. der Pastoraltheologe Paul Zulehner und der Moraltheologe Günther Virt genannt.

Rat an Vatikan

Der Rat des Nuntius an den Vatikan: "Wenn man die aktuelle Situation betrachtet, dann darf man sich keine Illusionen über eine rasche Genesung machen." Es werde Jahre brauchen sowie "mutige und heilige Bischöfe, die mit Vorsicht, aber Entschiedenheit und ohne Zögern die Strukturen und Personen austauschen und überall die Identifikation mit dem Papst und seinem Lehramt stärken."

Es folgten die Bischofsernennungen u.a. von Groer und Kurt Krenn. Die Causa Groer im Jahr 1995 mit der Veröffentlichung von Vorwürfen des sexuellen Missbrauchs und die Causa Krenn im Vorjahr mit dem Sex-Skandal im Priesterseminar von St. Pölten führten zu schweren Krisen in der katholischen Kirche Österreichs und zu beispiellosen Austrittswellen.

Der vom ORF-Radio zitierte Bericht wurde vom italienischen Kirchenhistoriker Alberto Melloni vor zwei Jahren in einer Biografie über Cagna veröffentlicht. Der Text stammt aus dem Nachlass des Nuntius. In Wiener Kirchenkreise wurde auf APA-Anfrage erklärt, es werde vermutet, dass Cagna diesen Abschlussbericht nach seinem Rücktritt als Nuntius in Österreich nie nach Rom geschickt habe. Cagna sei am Ende seiner Amtszeit mit den vatikanischen Vorgesetzten "über Kreuz" gewesen. (APA)