Die Wiener haben es gut. Erstens sowieso, zweitens weil sie - soweit echt - nicht untergehen, und drittens wegen der Fülle interessanter Publikationen, aus denen sie sich über ihr Glück, a Weaner zu sein, echt unabhängig informieren können. Es gibt für diesen Zweck ja nicht nur die tägliche WienKrone, die der Stadtregierung ungeachtet aller ideologischen Vorbehalte durch insistierende Abbildung ihrer rosigsten Mitglieder wohlfeilen Tribut zollt. Es gibt dafür die diversen Bezirksblätter, und es gibt ja auch noch: "Unsere Stadt". Geschrieben für alle, die Wien mögen, nun geführt von Eva Dichand. Wie das Stadtleben so spielt.

Gäbe es nicht schon wöchentlich die bunte "Krone", man könnte "Unsere Stadt" glatt für die monatliche "Krone" bunt halten. Nicht so sehr wegen der üppigen Inserate aus dem kommunalen Umfeld. Dass es in Wien Fernwärme gibt und Bildung ganz oben steht, sollte jeder Wiener erfahren. Im Sonderteil für Gemeinde- und Gesiba-Mieter vermisst man lediglich das aus der "Krone" gewohnte Konterfei des einschlägigen Stadtrates. Und wenn der Bürgermeister, in einer doppelseitigen Schilfidylle weilend, gesteht, es gibt Plätze in Wien, die würde ich am liebsten geheim halten, gesteht er gleichzeitig ein, dass es in der Wiener Medienlandschaft Inseratenplätze gibt, die der Geheimhaltung trotzen, auch wenn man sie lieber geheim halten würde. Dabei ist doch alles nur zur Information.

In jeder Ausgabe, so wird im Inhaltsverzeichnis versprochen, hat der Bürgermeister eine Kolumne. Im Mai schwärmt er darin: Diese Mischung aus Prater und Spitzenmedizin, aus Wienerwald und Biotechnologie, aus Donauinsel und Gemeindebauten ist eben einmalig. Sie macht gemeinsam mit den ebenso einmaligen Wienerinnen und Wienern das besondere Flair dieser Stadt aus.

Es wird die Wienerinnen und Wiener vielleicht nachdenklich stimmen, dass sie ebenso einmalig sind wie diese Mischung aus Prater und Spitzenmedizin, aber Michael Häupls zweites Geständnis - Ich gebe zu, ich bin verliebt in unsere Stadt - wird sie hinschmelzen lassen wie kommunalpolitisches Schmalz im besonderen Flair der sommerlichen Donauinsel.

In den regelmäßigen Rubriken begegnet der Leser Elementen, mit denen er aus der "Krone" hinlänglich vertraut ist, er spürt also gleich das besondere Flair dieser Stadt. Da stößt man auf Dr. Gerti Sengers Lust & Liebe, nur dass es hier Liebe, Lust und Leidenschaft heißt und ein Herr Christian M. Kreuziger über gravierende Missverständnisse berichtet, die beim Kennenlernen im Chat entstehen können. Zum Beispiel: Ihm ganz willenlos zu dienen, das wollte Anna schon. Doch als ihr Gebieter verlangte, auch die Sklavin seiner Freunde zu sein, verweigerte sie ihm den Gehorsam. Das nächste Mal lieber vorher zu Kreuziger kriechen, wenn man sich beim Chatten nicht klar ausdrücken kann!

Nicht nur in der Tierecke treffen wir einen alten Bekannten. Was der Tiergartendirektor dort über eheliche Treue in der Tierwelt zu sagen weiß, wird dem Heiligen Vater nicht gefallen: Dass sich tierische Partner tatsächlich auf Lebenszeit zusammenschließen, ist äußerst selten. Was Gelegenheit gibt, Hans Janitschek aus der "Krone" in "Unsere Stadt" herüberzuholen - es ist ja nicht weit: mit einem Bericht über Heiraten in New York.

Wo aber landet man in unserer Stadt bei guter Führung unweigerlich? Zu Hause bei Dagmar Koller und Helmut Zilk. Einrichten ist ihre Domäne im Hause Koller-Zilk. Nicht für die Gäste gestaltet sie. Sondern vor allem für sich. Und für Ehemann Helmut. Denn der legendäre Fernsehdirektor, Stadtrat, Bürgermeister und wortgewaltige Kämpfer für ein lebenswertes und kulturelles Wien soll sich nicht nur in "seiner Stadt", sondern auch zu Hause wohl fühlen." Das hat sich der Ombudsman der "Kronen Zeitung" verdient. Redlich.

Aber niemand glaube, "Unser Wien" wäre bloß ein Ort des Leichtsinns, nein, Geschäftsführerin Dr. Eva Dichand kann es auch catonisch und bildet sich eine Meinung. Lange ist es her, dass die FPÖ rund ein Drittel der Wähler von sich überzeugen konnte. Nach stetigem Abwärtstrend, beginnend wie prognostiziert mit Regierungsbeteiligung statt Opposition - schon Cato hat seinerzeit davor gewarnt! - endet nun vorerst das Kapitel FPÖ abrupt in einem Abspaltungs-Urknall.

Gewöhnlich gilt der Urknall als der Beginn des Kapitels Universum, hier markiert er das Ende des Kapitels FPÖ - doch was ist diese Dichandsche Unschärferelation schon gegen Frau Evas Versuch, Wolf Martin den Rang abzulaufen und den Abspaltungs-Urknall als "Max und Moritz"-Phänomen dichterisch zu deuten: Ach, was muss man oft von bösen/ Buben hören oder lesen!/ Wie zum Beispiel hier von diesen,/ Welche FPÖ und BZÖ hießen,/ . . . Innerparteiliches hin und her Gezanke/ Führte wohl zum Spaltungsgedanken. Und weiter in diesem Stil.

Dass Max und Moritz kein hin und her Gezanke kannten, sondern - eben anders als FPÖ und BZÖ - bis zur gemeinsamen Verschrotung bestens kooperierten, ließe sich bei nachfassender Lektüre herausfinden. (DER STANDARD, Printausgabe, 17.5.2005)