Wien - Für Flexibilität im Übernahmerecht spricht sich die Übernahmekommission aus. Die Reformvorschläge zum Pflichtangebot - diskutiert wird eine Kontrollschwelle von 30 Prozent - gingen an der Realität vorbei, so der Vorsitzender der Übernahmekommission, Peter Doralt, am Donnerstag bei der Präsentation des Jahresberichtes 2004. Verbessert werden solle die Transparenz der Aktionärsstruktur.

Das bewährte flexible System des Übernahmegesetzes (ÜbG) ermögliche es, neben der prozentuellen Beteiligungshöhe die tatsächlichen Verhältnisse und die konkret vorliegende Einflussmöglichkeit des Kernaktionärs sowie die damit verbundene potenzielle Gefährdung der Mitaktionäre zu berücksichtigen. Eine Änderung der seit mehr als sechs Jahren geltenden Rechtslage zum Nachteil bereits beteiligter Investoren könnte schließlich auch deren Erwartungshaltung enttäuschen und sich nachteilig auf die Attraktivität des inländischen Kapitalmarkts auswirken.

Nur jeder sechte oder siebte Streubesitzaktionär kommt zur Hauptversammlung

An Hauptversammlungen (HV) in Österreich nehmen im Durchschnitt nur 12 bis 18 Prozent des Streubesitzes teil, geht aus einer Auswertung der Übernahmekommission von 270 Hauptversammlungen im Zeitraum 2001 bis 2004 hervor. Es gebe in fast allen Gesellschaften Gruppen von Kernaktionären, die die Gesellschaften mehr oder weniger eindeutig beherrschten. Die Teilnahme des Streubesitzes im Ausmaß von "plus/minus 15 Prozent" etwa bei ATX-Gesellschaften sei auch im internationalen Vergleich niedrig. Es komme nur jeder sechste oder siebte Streubesitzaktionär zur Hauptversammlung. In England nehmen beispielsweise 40 bis 50 Prozent des Streubesitzes an Hauptversammlungen teil, in Deutschland seien es rund 25 Prozent.

Einem Kernaktionär mit knapp unter 30 Prozent vom Grundkapital stünden im Durchschnitt Streubesitzaktionäre von 10 bis 12 Prozent des Grundkapitals gegenüber. In- oder ausländische Aktionäre könnten daher beispielsweise eine Beteiligung von 29 Prozent erwerben und die Gesellschaft nach ihren Vorstellungen ohne Rücksicht auf 71 Prozent Streubesitzinvestoren beherrschen.

Zudem würden durch die Einführung einer fixen Kontrollschwelle nicht alle derzeit erfassten Konstellationen erfasst. Fälle wie etwa Umstrukturierungen im Syndikat, Stiftungskonstruktionen sowie der mittelbare Kontrollerwerb über eine GmbH oder eine ausländische Gesellschaft ließen sich nicht durch einen starren Beteiligungsprozentsatz regeln. Die Übernahmekommission weist auch darauf hin, dass in bisher mehr als 40 Anzeigeverfahren Ausnahmen von der Angebotspflicht ausgesprochen worden seien.

Mehr Transparenz gefordert

Verbesserungsbedarf sieht Doralt bei der Transparenz der Aktionärsstruktur. Offengelegt werden sollte bei mehr als 1 Prozent. Eine nicht zu hohe Grenze - "5 Prozent wäre zu hoch" - solle es auch bei Treuhändern geben.

Fallen werde mit der im Zug der Umsetzung einer EU-Richtlinie notwendigen Reform des Übernahmegesetzes der 15 Prozent-Abschlag für den Streubesitz bei einem Pflichtangebot, erwartet die Übernahmekommission. Ein solcher Abschlag für Kleinaktionäre ist derzeit zulässig, wenn es die Satzung nicht anderes vorsieht. (APA)