Wien - Arbeiterkammerpräsident Herbert Tumpel sieht nach wie vor enorme Defizite bei der Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Eine Umfrage unter 27.000 AK-Mitgliedern in Elternkarenz (Rücklauf: 2333) hat unter anderem ergeben, dass sich jeweils 83 Prozent der Befragten eine freie Wahl bei der Bezugsdauer des Kinderbetreuungsgeldes sowie mehr Wahlmöglichkeiten beim Zuverdienst wünschen.

Tumpel unterstützt diese Forderungen, um Frauen den Wiedereinstieg ins Berufsleben nach der Karenz zu erleichtern. Laut AK wollen 75 Prozent zwar aller Karenzierten nach der Kinderpause sofort wieder berufstätig sein, nur 44 Prozent finden aber tatsächlich sehr rasch eine berufliche Betätigung, die ein Einkommen über der Geringfügigkeitsgrenze sichert.

Ab eineinhalb Jahren

Insbesondere die partnerschaftliche Teilung der Karenzzeit scheitere häufig an der damit verbundenen finanziellen Einbußen, sagte Tumpel am Mittwoch in einer Pressekonferenz. Zwei zentrale Maßnahmen sollen hier Abhilfe schaffen.

Tumpel fordert, dass die derzeit zweieinhalbjährige bzw. dreijährige Bezugsdauer von Kindergeld auf bis zu eineinhalb Jahre verkürzt gewählt werden kann. Dadurch würde klarerweise die Höhe des monatlich bezogenen Kindergeldes deutlich steigen.

Zusätzlich fordert die AK eine Umstellung der Zuverdienstgrenze von 1140 Euro brutto monatlich auf eine rein zeitliche Grenze. Wer wöchentlich weniger als 24 Stunden arbeitet, soll nach AK-Vorstellung künftig in der Karenzzeit dazu verdienen dürfen, was sie oder er will. Dies wäre insbesondere auch für Frauen in mittleren und höheren Positionen interessant.

Unklare Rechtslage

Seit längerem gibt es genau mit dieser Zuverdienstgrenze rechtliche Probleme in jenen Fällen, wo mehr als erlaubt verdient wird. Nach Auskunft der AK-Abteilungsleiterin Frauen und Familie, Ingrid Moritz, werden derzeit aber von den zuständigen Behörden keine diesbezüglichen Bescheide ausgestellt. "Diese Fälle hängen also in der Luft, eine eigenartige Rechtslage", so Moritz.

Problematisch ist laut AK freilich auch die weiterhin hohe Anzahl fehlender Kinderbetreuungsplätze, wenn auch die Situation in Wien wesentlich besser sei als in den Bundesländern. Derzeit würden bundesweit 47.000 Kinderbetreuungsplätze überhaupt fehlen und 43.000 an sich vorhandene Plätze seien mangelhaft hinsichtlich ihrer Öffnungszeiten. Mit den 240 Mio. Euro, die das Familienpaket in der Steuerreform verschlungen habe, wäre dieses Problem aus der Welt zu schaffen gewesen, so Moritz. (miba/DER STANDARD, Printausgabe 12.10.2005)