Gustav Metzger demonstriert, dass spielerische Mittel zum selben Erfolg führen können wie der Einsatz brachialer Gewalt.

Foto: Metzger/Generali Foundation
Wien - Wer Pete Townshend für einen Autodidakten gehalten hat, irrt: Der von The Who hatte doch einen Lehrer. Nicht für das Spiel, immerhin aber für die Zerstörung der gemeinen Gitarre. Der Dramaturg des so authentisch aufmüpfig vorgebrachten Reinigungsrituals zum Klimax einer jeden identitätsstiftenden Liveshow heißt Gustav Metzger. Und dem ist viel mehr zu verdanken, als die bittere Einsicht, dass letztendlich doch nichts originär ist, jede Generation doch auf den verhassten Errungenschaften der ihr vorausgegangenen aufbaut.

Egal. Gustav Metzger hat angedacht und ansatzweise umgesetzt, was gerade heute wieder Hoffnung stiftet: "Autodestruktive Kunst", Exponate von einer beschränkten Lebensdauer, echte Minutenskulpturen oder zumindest Werke, deren Halbwertszeit im erlebbaren Rahmen kommt.

Weil seine Skulpturen absehbar in Teile zerfallen, sich selbst wegerodieren, sich einnebeln oder tarnen. Aus Gustav Metzger selbst ist nie ein Star geworden. Seine Techniken aber erwiesen sich, losgelöst von ihrem verschrobenen Erfinder, als recht markttauglich: Das "autokreative" Potenzial seiner Liquid-Crystal-Projections etwa verhalf der Band Cream zu einem glaubwürdigen Bühnenhintergrund für Ginger Bakers private Experimente mit Chemie. Dank Metzger kam das Publikum live zu Aufnahmen aus den chemisch animierten Innenwelten der drei Produzenten legendär nicht enden wollender Soli.

Und, Gustav Metzger sei Dank, fand sich auch eine Methode, Lucio Fontanas Angriffe wider die verhasste Leinwand ebenso weniger anstrengend, wie endgültiger zu gestalten. Wo Fontana zu vollem Körpereinsatz und auch Waffengewalt greifen musste, um die Bildträger ihrer Unschuld zu berauben, griff Metzger, fast elegant, zum Pinsel - tauchte den in bekannt gefräßige Säure, und vermochte so, ganz unangestrengt, die Bildhäute letal zu schwächen. Den Kraftakt des endgültigen Zerfetzens überließ er den ungestümen Stößen des Windes im Plain-Air-Atelier.

Als durchaus hinderlich für die persönliche Karriere des Gustav Metzger erwies sich sicherlich die Tatsache, dass er selbst weniger an den ästhetischen Effekten der praktischen Anwendung seiner Manifeste interessiert war, als an deren politischem Hintergrund. Autodestruktive Kunst hatte weniger mit dem Die-Young-Livestyle, als dem Wettrüsten und der hemmungslosen Umweltzerstörung zu tun.

Metzger ist immer ein Gläubiger geblieben, ein Moralist, einer, der fest daran glaubt, jene Spiegel erfinden zu können, in denen die Gesellschaft sich erkennen wird, und folglich bessern. Und also hat er missionarisch gearbeitet, Symposien organisiert, unzählige Briefe versandt, sehr früh schon die Macht der Medien als Thema aufgegriffen. Eine seiner Einladungen, sie wurde 1966 nach London ausgesprochen, hieß Destruction Art Symposion - und wurde zum ersten internationalen Auftritt der Wiener Aktionisten. Später sollte er gemeinsam mit dem Postkartenkünstler Klaus Staeck zum Kunststreik aufrufen, oder sich vehement gegen einen, wieder objektzentrierten Kunstbegriff wenden, wie er mit der Kölner Schau Westkunst 1981 marktfreundlich eingeläutet wurde. Es wurde still um Gustav Metzger.

Die eben in der Generali Foundation eröffnete erste Retrospektive auf das bis heute fortgesetzte Werk des 1926 in Nürnberg geborenen Aktivisten, könnte Gustav Metzger spät als Vater unzähliger Kinder und Enkel bestätigen. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 12.5.2005)