Gehörlosendolmetscherin im Wiener Gemeinderat.

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Wien - Die österreichischen Gehörlosen wehren sich gegen ihre gesellschaftliche Benachteiligung: Im "1. Diskriminierungsbericht der Österreichischen Gebärdensprachgemeinschaft", werden die alltäglichen Benachteiligungen der Betroffenen erstmals aufgezählt. "Wir Gebärdensprachenbenützer haben oft mit Unkenntnis und auch Ignoranz gegenüber unserer Sprache zu tun. Wir zeigen nun erstmals konkret, wie sich das aus unserer Perspektive anfühlt und auswirkt", so Helene Jarmer, Präsidentin des Österreichischen Gehörlosenbundes (ÖGLB).

Diskriminierung

Die Palette der Diskriminierung ist breit: Von Problemen in der Arbeitswelt, in denen die Betroffenen oft nicht in ihren Traumberufen arbeiten können, in der Ausbildung - es ist derzeit nicht einmal nötig, dass die Lehrkräfte in Gehörlosenschulen die Gebärdensprache beherrschen - bis hin zu alltäglichen Barrieren, wie etwa, dass Durchsagen bei den Öffis nicht verstanden werden. "Wir sehen uns nicht als 'Behinderte', sondern als eine sprachliche Minderheit, die ihre Gleichstellung fordert", argumentierte Jarmer.

Barrieren

Viele der Diskriminierungen entstehen nicht aus Böswilligkeit, sondern schlichtweg aus Unachtsamkeit. "Es wird einfach vergessen, dass nicht alle hören können", sagte Jarmer. Mit dem Bericht wolle man auch ein Zeichen setzen, dass man dies nicht mehr "still zur Kenntnis nehmen will". "Wir zeigen, dass wir sehen und spüren und nicht mögen, wenn uns Barrieren in den Weg gesetzt werden und wir ausgegrenzt werden", meinte Jarmer.

Verfassung

Der ÖGLB fordert, dass die Gebärdensprache - wie in den meisten europäischen Ländern - öffentlich anerkannt wird und ein derartiges Gesetz in die Verfassung aufgenommen wird. Dies könnte bald erfüllt sein: Seit März gibt es eine entsprechende Regierungsvorlage. Um ihrem Anliegen Nachdruck zu verleihen, wurde der Diskriminierungsbericht an alle Nationalratsabgeordneten überstellt.

Wirkliche Chancengleichheit

"Es ist sehr erfreulich, dass nach 15 langen Jahren der Bemühungen nun endlich die Anerkennung der Österreichischen Gebärdensprache in der Verfassung unmittelbar bevorsteht", meinte dazu die Behindertensprecherin der Grünen, Theresia Haidlmayr.

Die Erfahrung mit der im Jahr 1997 in die Verfassung aufgenommenen Gleichstellungsbestimmung für behinderte Menschen zeige jedoch, dass zur wirklichen Chancengleichheit ein Behindertengleichstellungsgesetz auf Bundesebene notwendig ist. "Eine Regierungsvorlage befindet sich zwar auf dem Weg, beinhaltet aber keinerlei Bestimmungen für gehörlose Menschen. Dies ist aber dringend notwendig, um gehörlosen Menschen ein gleichberechtigtes Leben als zweisprachige Menschen zu ermöglichen", forderte Haidlmayr. (APA)