Die afrikanisch-englische Künstlerin Senam Okudzeto
murlasits
Einer der Orangenstände, die Senam Okudzeto aus Ghana mitgebracht hat
murlasits
Die Orange sei der Inbegriff weiblicher westafrikanischer Arbeitstätigkeit, so Senam Okudzeto, eine der im Rahmen von [prologue] in Graz ausgestellten Künstlerin. "Die Orange ist das billigste und am wenigsten einbringende Wirtschaftsgut in Afrika. Und das wird natürlich nur von Frauen verkauft."

Auf ihren Reisen zurück in ihren ursprünglichen Heimatkontinent - Heimatland könne sie keines definieren, da sie bereits als 8-jährige von Nigeria nach Ghana und dann nach England migriert sei - hat sich Senam Okudzeto intensiv mit den Orangenverkäuferinnen auseinander gesetzt. Irgendwann stach ihr die individuelle Schönheit der von den Frauen selbst entworfenen Präsentationsstände auf. "Das muss man sich vorstellen: die Frauen verkaufen das billigste Gut überhaupt, sind damit jeweils eine unter Tausenden, können nie davon leben und müssen immer auch etwas anderes machen, und trotzdem entwirft sich jede einen eigenen Stand."

Urbanisierung und Globalisierung

Früher sei es so gewesen, dass in ganz Westafrika wilde Orangenbäume wuchsen. "Das war fast so wie Wasser zu trinken. Man nimmt sich einfach eine Orange vom Baum und saugt die Feuchtigkeit auf. Heute, mit der zunehmenden Verstädterung verschwinden die Orangenbäume, doch die Zahl der Verkäuferinnen steigt, vom 6-jährigen Mädchen bis zur 75-jährigen Großmutter."

Viele dieser Frauen hat Senam Okudzeto interviewt und für ihre Videodokumentation gefilmt. Diese Dokumentationen seien aber erst später zu ihren Arbeiten hinzugekommen, mehr oder minder als Protest. Zuerst hatte sich Okudzeto mit den Ständen beschäftigt, die sie den Frauen abkaufte und quasi als "Readymade" in ihre Arbeiten einbaute. Als ihr ein Berliner Kunsthändler 4000 Euro für so ein Metallgerüst anbot, dafür aber verlangte, die ganzen Informationen über die Frauen, über die Arbeitsbedingungen in Ghana, über den Wert der Orangen etc. wegzulassen - das interessiere ja niemanden und würden den Wert nur mindern - fügte sie ihren Arbeiten einen dokumentarischen Aspekt hinzu.

Kultur von Frauen

Für Okudzeto ist noch ein weiterer Aspekt überaus wichtig: bei diesen Ständen handele es sich um eine offene Kunst- und Kulturform, die nur von Frauen hergestellt würde. Diese würden das zwar nicht als Kunst sehen - oftmals nicht einmal als eigenständigen Job - und so antwortete ein 6-jähriges Mädchen auf die Frage, ob es für diese Stände und Arbeit einen eigenen Namen in der Region gäbe, mit völliger Selbstverständlichkeit: "No. It is just a stand!".

(e_mu)