Ministerpräsident Peer Steinbrück (SPD) gibt sich im Gespräch mit dem Standard dennoch optimistisch: "Die täglich wechselnden Wasserstandsmeldungen bewegen mich nicht. Ein Drittel der Wähler weiß noch nicht, dass eine Wahl bevorsteht. 25 Prozent legen sich erst vier bis fünf Tage vor der Wahl fest", sagt er und ist sich sicher: "Das Rennen entscheidet sich auf den letzten Metern."
Um das Ruder noch herumzureißen, muss die SPD jene 800.000 Wähler mobilisieren, die bei der Kommunalwahl im Herbst 2004 zu Hause geblieben sind. Die von Parteichef Franz Müntefering angezettelte Kapitalismuskritik passe ihm gut, betont Steinbrück: "Die Mobilisierung der Partei läuft nun stärker. Ich merke, dass da ein Nerv getroffen wurde." Konsequenzen schließt er aber aus: "Es geht nicht darum, nun die ganze Republik mit gesetzgeberischen Initiativen zu überziehen und auch nicht um eine Pauschalkritik an Unternehmen. Aber es muss erlaubt sein, auf Fehlentwicklungen hinzuweisen." Kritik an der Kapitalismuskritik weist er zurück: "Ich wundere mich schon sehr über die Empfindlichkeit mancher Wirtschaftsfunktionäre. Die SPD ist wegen Hartz IV auch stark attackiert worden. Aber es ist offenbar ein Tabu, die Wirtschaft zu kritisieren."
Auch die hohe Arbeitslosigkeit ist Dauerbegleiterin in Steinbrücks Wahlkampf: In Nordrhein-Westfalen stieg die Zahl der Menschen ohne Beschäftigung über die Rekordmarke von einer Million.
Hartz IV richtig
"Natürlich sind das zu viele", sagt er, "aber diese Zahl hat sich jahrzehntelang aufgebaut." Er setzt auf die Arbeitsmarktreformen des Bundeskanzlers: "Die Bundesregierung hat unpopuläre, aber richtige Entscheidungen getroffen." Weniger Sorge macht ihm die Visa-Affäre: "Das Thema spielte im Februar und März eine Rolle." Aber nach Außenminister Joschka Fischers Aussage im Untersuchungsausschuss sei das Interesse "deutlich abgeflaut".