J. Haider und die Kronenzeitung sind jetzt für die Entscheidung durch das Volk. Die Frage ist bloß: Warum wollen sie die Entscheidung des Volkes zur EU-Verfassung? Und die Antwort ist relativ simpel: weil sie das weit verbreitete Ressentiment gegen die EU gern durch das Volk bestätigt hätten. Viele würden – in Österreich ebenso wie in anderen EU-Staaten – gegen die Verfassung für die EU entscheiden, weil sie von der Politik der heimischen Politiker enttäuscht sind. Für Haider wäre das die Chance, den Gefühlen der ÖsterreicherInnen freien Lauf zu geben, ohne dass es der Regierung schadet. Denn an der ist er seit 2000 beteiligt.

Lionel Jospin, der ehemalige französische Ministerpräsident (bis 2003), hat in seinem ersten TV-Auftritt seit seinem Rückzug aus der Politik nach der verlorenen Präsidentschaftswahl vor einigen Tagen den französischen WählerInnen mit Recht gesagt, es nütze nicht, wenn sie bei der französischen Volksabstimmung am 29. Mai gegen die europäische Verfassung stimmten. Sie würden dennoch nach der Abstimmung Chirac als Präsidenten und die konservative Regierung – derzeit unter Raffarin – und deren Politik behalten aber dann zugleich für eine schlechtere Position Europas entschieden haben. Und dasselbe gilt für Österreich.

Wer mit der Regierung Schüssel – nun ÖVP und BZÖ – nicht zufrieden ist, weil die dringendsten Probleme des Landes nicht (steigende Arbeitslosigkeit) oder nicht fair gelöst werden (wachsende Ungleichheit der Einkommen; stagnierende Pensionen usw.), der muss an einer Entscheidung des Volkes interessiert sein. Aber nicht an einer Entscheidung über die Verfassung für die EU, sondern an einer Entscheidung über die Mehrheitsverhältnisse im Parlament, an einer Entscheidung über die österreichische Regierung. Daher: Ja zu einer möglichst baldigen Entscheidung des Volkes. Aber eine Entscheidung zur Politik in Österreich in Wahlen zum Nationalrat.

Die Verfassung für Europa bringt mehr Rechte für das Volk – Grundrechte für den bzw. Einzelne/n, mehr Rechte für die direkt gewählte Vertretung, das Europäische Parlament. Das ist gut so. Und sie erlaubt bessere Politik. Die muss dann allerdings auch noch gemacht werden. Aber auch dafür braucht es kein „nein“ zur Verfassung, sondern andere Mehrheiten in den Parlamenten (Europaparlament, nationale Parlamente), denen die Sorgen der Menschen wichtig sind.