Leon Zelmans Erinnerungsbuch, 1995 erschienen und nun in erweiterter Überarbeitung neu aufgelegt, ist ein Buch der Wehmut und der Trauer. Es beschreibt sein Überleben des Naziterrors, seine Ankunft in Wien und in einem andern Leben - in einem Leben, das erhofft und erfleht im Konzentrationslager, kaum erreichbar schien und das dann doch so anders wurde.

Am Beginn des Weges, den der junge Zelman gehen musste, stand der Untergang einer Welt. Das "Stetl", in dem er seine kurze Kindheit verbrachte, zerstörten die Nazis mit derselben unfassbaren Brutalität, mit der sie seine Bewohner in Gettos pferchten, totschlugen und schließlich zur Endlösung in ihre Mordfabriken trieben. Mit dem Stetl Zelmans zerstörten die Nazis eine jahrhundertealte Kultur und Lebensweise. "Wer nicht floh, starb. Ich selbst bin nie mehr zurückgegangen. Ich werde auch nicht mehr hingehen. Zertretene Träume besucht man nicht." Mit solchen lapidaren Sätzen versucht Zelman, sich das Grauen vom Leib zu halten. Sein Buch ist auch eine Chronik des Unsagbaren, und gerade dieser Ton, dem das Ringen um Fassung in jedem Wort anzumerken ist, macht die Lektüre zu einem erschütternden Erlebnis.

Die Frage seines Lebens kann Zelman dennoch nicht beantworten: Wie das Überleben möglich war, warum es einem gelingen konnte und so vielen nicht. Armin Thurnher, der die Erinnerungen Zelmans aufgezeichnet hat, muss mit dem Wort Bertolt Brechts gedankt werden: Er hat die Rolle des Zöllners übernommen, der einem Weisen die Weisheit abverlangt hat. (Samo Kobenter, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 9. Mai 2005)