Wien - Fast drei Jahre, nachdem der so genannten "Homosexuellen-Paragraf" vom VfGH aufgehoben wurde, sitzen noch neun Personen wegen des Par. 209 in Haft. Das geht aus einer Anfragebeantwortung von Justizministerin Karin Miklautsch (B) an die SP-Abgeordnete Bettina Stadlbauer hervor. Allerdings erfolgte die Verurteilung in allen neun Fällen wegen eines anderen führenden Deliktes. Häftlinge, die alleine wegen des Par. 209 verurteilt wurden, gibt es demnach nicht mehr.

Helmut Graupner vom Rechtskomitee Lambda fordert dennoch die gesetzliche Aufhebung sämtlicher Verurteilungen wegen des Par. 209. Andernfalls würden die Betroffenen - auch wenn die Verurteilungen mittlerweile aus dem Strafregister gelöscht wurden - weiterhin als vorbestrafte Sexualtäter gelten. "Die Verurteilungen gehören weg, das gehört aufgehoben oder freigesprochen", fordert Graupner. Wo (wie im Fall der neun Inhaftierten) noch ein anderes schweres Delikt vorliege, müsse man eben jeden Einzelfall prüfen.

Zwei Klassen

Der Rechtsanwalt verweist darauf, dass bisher nur einige wenige Verurteilungen aufgehoben wurden - nämlich jene Fälle, die zu einer Verurteilung Österreichs beim OGH geführt haben. Damit gebe es zwei Klassen von Verurteilten, kritisiert Graupner: "Diejenigen, die stark genug waren nach Straßburg zu gehen: Da muss die Republik nicht nur Entschädigung zahlen, sondern da werden die Urteile auch aufgehoben. Aber für alle anderen bleibt das vorgemerkt oder das Urteil bleibt auf ewig aufrecht."

Miklautsch lehnt dies allerdings ab. "Eine Generalamnestie für gemäß Par. 209 StGB Verurteilte ist nicht vorgesehen", heißt es in der Anfragebeantwortung. Die Justizministerin bietet allenfalls an, Bundespräsident Heinz Fischer Gnadenvorschläge für die Betroffenen vorzulegen, "wenn das abgeurteilte Verhalten nach der derzeitigen Rechtslage nicht mehr strafbar wäre".

Darauf will Graupner nicht vertrauen und verweist auf den "besonders krassen Fall" eines seiner Mandanten. Der Mann war wegen des Par. 209 zwei Mal verurteilt worden, wandte sich jedoch nur in einem Fall an den Europäischen Menschenrechtsgerichtshof. Die Straßburger Richter gaben ihm zwar Recht und die eine Verurteilung wurde in Österreich aufgehoben. Die zweite Verurteilung ist aber nach wie vor aufrecht. Ein Gnadengesuch wurde vom Justizministerium abgelehnt.

Der Par. 209 stammte noch aus dem Jahr 1971 und wurde damals gleichzeitig mit dem allgemeinen Aus für das Verbot der Homosexualität eingeführt. Er stellte sexuelle Beziehungen von Männern über 19 mit Männern unter 18 unter Strafe. Nachdem der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte Österreich mehrmals wegen des Par. 209 verurteilt hatte, wurde die Bestimmung schließlich im Juni 2002 vom VfGH aufgehoben.

Als Ersatz wurde eine neue, geschlechtsneutral formulierte Strafbestimmung über den "Missbrauch von Jugendlichen" geschaffen (Par. 207b StGB). Dennoch sind derzeit laut Graupner noch mindestens sieben Verfahren wegen des Paragrafen 209 beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg anhängig. Die letzte Verurteilung Österreichs erfolgte im Februar 2005. Schadenersatz: 17.500 Euro. (APA)