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Foto: Archiv
Freilich könnte man sagen, dass unser Krampfadern-Karli deshalb auf Madeira selig geworden ist dank seiner Heilkräfte, weil die Insel bis heute nicht unbedingt ein Reiseziel ist, welches die Jugend der Welt zu altersgemäßer Freizeitgestaltung lockt. Ein, sagen wir, Tennisarm wäre dem letzten Habsburger Kaiser wohl nicht so leicht untergekommen, also mussten seine Apologeten nehmen, was gerade da war, um ihn ins Himmelreich erster Klasse zu expedieren. In Funchal, präziser in Monte steht ein Kirchlein, in dem Karl I. zur letzten Ruhe gebettet ist, und die Madeirer sowie die Anhänger des 1922 Verstorbenen halten sein Andenken in Ehren. Zweimal im Jahr wird sein Grab intensiv besucht, am ersten April, seinem Todestag, kommen vorzugsweise die internationalen Kaiseranbeter, am 15. August die Einheimischen.

Wie Karl hier sein Ende fand, ist auch so eine Geschichte, die auf der Insel gerne erzählt wird: Nach seinem vergeblichen Versuch, sich die Krone über den ungarischen Umweg zurückzuholen, verbrachten ihn die Briten in das doch einigermaßen von den Habsburger Erblanden entfernte Exil. Zunächst logierte Karl samt Familie standesgemäß im Reid's Palace, damals schon das erste Haus am Platz - mit entsprechend strammen Preisen. Die konnte sich Karl bald nicht mehr leisten, er musste in die Quinta des Bankiers Luis da Rocha Machado umziehen, die lag, wie der Name andeutet, am Berg und war im Winter ein feuchter Aufenthaltsort. Karls chronische Bronchitis wurde rasch zur Lungenentzündung, sein Erdenwandel beendet und seither streiten einschlägige Fachleute, ob ihm die einheimische Gastronomie oder die Knausrigkeit der jungen österreichischen Republik, die sein Vermögen einbehielt, das frühe Grab bereitet hat.

Teure Fußbremse

Gleich unterhalb der Kirche von Monte kann man, wenn man will, die madeirische Variante des Fiakertums ausprobieren: Sie besteht aus einfachen, aber unbequemen Korbschlitten, die nicht von Pferden oder Eseln gezogen, sondern auf Lastwagen hochgebracht werden. Früher waren die Lastwagen Ochsen und die Schlitten das gängige Transportmittel für Waren und Touristen aller Art, die Straßen waren eng, die Wege steil. Heute setzt man sich in Monte in den Schlitten und braust ins Tal, gelenkt und gebremst wird das Gerät von kräftigen Burschen, die hinten auf den Kufenenden stehen und unten im Tal kräftig kassieren.

Den Reiz Madeiras macht nicht nur die Kombination aus mildem Klima und üppiger Vegetation aus, den die Touristiker seit jeher mit dem schmückenden Beiwort "Blumeninsel" zu versehen pflegen. Freilich sollte man sich den Besuch eines der fantastischen botanischen Gärten nicht verkneifen, die wahren Entdeckungen aber wollen erwandert werden. Und, um ein mögliches Missverständnis auszuräumen: Madeira kann auch sehr jung sein, die Sportler kommen auf Golf- und Tennisplätzen voll auf ihre Rechnung, und wer das Wasser liebt, ist hier das ganze Jahr über an der richtigen Adresse - Surfer und Segler finden fantastische Reviere, Taucher und Schwimmer ebenfalls. Bloß so schrill wie auf manch anderen Inseln geht es hier nicht zu, was immer mehr Abgespannte wieder zu schätzen lernen und nicht laut weitererzählen.

Freiluftbühne

Das andere, eigentliche Madeira aber will, wie gesagt, erwandert werden. Im Nordosten der Insel steigen die Berge bis auf 1800 Meter an: Was sich von Meereshöhe aus gesehen schon beeindruckend genug ausnimmt, wird mit ansteigendem Perspektivenwechsel zum unvergesslichen Erlebnis. Einer der bezauberndsten Wege geht von Queimadas nach Caldeirao Verde und zurück, auf rund zwölf Kilometern kann man sich im grünen Urwald richtig schön auslaufen, Wasserfälle rauschen, und durch die Rinnen der Levadas rinnen eiskalte, klare Bäche in die Bewässerungskanäle, die in Jahrhunderten gebaut und sorgsam gepflegt wurden. Die Landschaft ist ein Bühnenbild aus dem 19. Jh., das Stück könnte der Freischütz oder die Wally sein - und überall eine Stille, in der das Plätschern des Wassers und das eigene Schnaufen die lautesten Geräusche sind.

Wer es alpiner will, nimmt einen der steileren Wege auf einen der Gipfel und wird belohnt: Oben angekommen, geht die Welt auf in ihre schönste Bestandteile - unten das Meer, ringsum die grünen Gipfel, Täler und Schluchten, die Wege sehen putzig aus, was auf ihre Entfernung hinweist und daran erinnert, dass man zurück und hinunter auch noch muss.

Wenn man schon im Nordosten herumkraxelt, sollte man unbedingt in Santana vorbeischauen: Die Gemeinde ist berühmt für ihre strohgedeckten Häuser, Casas do Colmo genannt, die heute nur noch als Touristenattraktion herumstehen. Sie geben eine Ahnung von der Kärglichkeit früherer Lebensverhältnisse: Im Erdgeschoß passen gerade Tisch, Bett und Truhe hinein, im ersten Stock, über eine Außenstiege zu erklimmen, war der Schlafraum, Kochstelle und Wasser im Garten. Da hatte es selbst der arme Karl bequemer. (Der Standard, Printausgabe 7./8.5.2005)