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Standard: Fühlen Sie sich manchmal einsam?

Mairitsch: (lacht) Einsam wäre zu viel gesagt, aber es gibt tatsächlich österreichweit wenige Frauen in meiner Position. In Salzburg bin ich die einzige Studiengangsleiterin, und ich glaube, dass das gewissermaßen repräsentativ ist. Im Kommunikationsbereich ist das Geschlechterverhältnis in den Leitungspositionen ausgeglichen. Das kann man von anderen Studienrichtungen, speziell von den als "technisch" ausgewiesenen, nicht behaupten.

Standard: Warum, glauben Sie, ist das so?

Mairitsch: Das ist ein komplexes Feld. Viele Studiengänge und auch 80 Prozent unserer Lehrveranstaltungen haben sehr stark mit Technik, beziehungsweise dem Umgang mit Technologie, zu tun. Der Unterschied zu vielen anderen Studiengängen ist aber, dass die "Verpackung" anders ist. Es ist ein künstlerisch-kreatives Studium, in einem hochtechnischen Bereich. Ich höre, dass viele junge Frauen von so genannten "technischen Studien" abgeschreckt werden. Bei uns ist niemand verschreckt, und ich behaupte, das liegt an den anders aufbereiteten Inhalten und Grundaussagen.

Standard: Warum verweigern so viele junge Frauen technische Studienrichtungen?

Mairitsch: Das ist die große Frage, der sich die Gesellschaft stellen sollte. Es gibt gute Gründe dafür, wenn Frauen vor etwas zurückschrecken. Da geht es um Belastungen, um "sich etwas zumuten wollen". Unsere Gesellschaft ist offenbar nicht so weit gediehen, dass sich eine gleiche Geschlechterverteilung in einem Selbstregulativ ergibt. Man muss ja nach wie vor die Frauengleichberechtigung extra ausschreiben, daraus ergibt sich logisch eine Exklusion. Es geht um Macht und Verfügbarkeit, und vielleicht wollen sich Frauen dem nicht aussetzen. Daher frage ich mich, ob Frauen, die sich einem weitgehend technokratischen System verweigern, nicht die konsequenteren sind? Man wird sich in Zukunft gesellschaftlich andere Fragen stellen müssen.

Standard: Was macht Salzburg anders?

Mairitsch: Bei uns geht es sowohl um kreative als auch um soziale Kompetenz. Technik ist Mittel zum Zweck. Wir fordern unsere Studierenden immer heraus: "Finden Sie Ihre Position und erklären Sie sich." Möglich, dass sich Frauen dabei leichter tun - mit intuitiver statt mit mathematischer Logik.

Standard: Kann man sich dem System, wie Sie es beschrieben haben, überhaupt entziehen?

Mairitsch: Kaum. Daher ist es ja so wichtig, die eigene Position zu erkennen. Die Frage ist, bis wohin gehe ich Kompromisse ein, wie finde ich in dem System meinen Frieden - das ist übrigens keine "Frauenfrage", sondern betrifft alle.

Standard: Wieso nicht versuchen, das System zu ändern?

Mairitsch: Natürlich muss man das versuchen, und es verändert sich ja auch. Aber langsam. Die positiven Entwicklungen für Frauen im 20. Jahrhundert können nicht mehr rückgängig gemacht werden. Das wissen Frauen auch, unabhängig von ihrer Rollenidentität. Ich vertraue sehr auf die weibliche Kraft, die Fähigkeit der Frauen, sich subtil zu organisieren und sich inhaltlich zu orientieren. Frauen solidarisieren sich nicht allein aufgrund des Geschlechts. Sie sind differenzierter, aber dafür nachhaltiger. Und es zeugt auch von Stärke, wenn eine Frau sagt: "Ich will nicht etwas machen, das mich angreift." Was angreift ist eine Frage von Macht - und der entziehen sich Frauen immer öfter.

Standard: Hat das Entziehen nicht unerwünschte Nebenwirkungen?

Mairitsch: Freilich, aber nicht nur für die Frauen. Es ist ja ein Verlust für alle westlichen Gesellschaften, dass Frauen zum Beispiel immer weniger gebären. Sie fühlen sich nicht geborgen, sie erkennen, dass sie zwischen den widersprüchlichen Anforderungen von Beruf und Mutterideal zerrieben werden und nur verlieren können. Wir müssen wieder so eine Art Grundvertrauen herstellen.

(DER STANDARD-Printausgabe, 7.5.2005)