Von einem "historischen" Wahlsieg sprach Labour-Chef Tony Blair, der sich an seinem gestrigen 52. Geburtstag von der Queen zum dritten Mal en suite mit der Bildung einer britischen Regierung beauftragen ließ. Das hatte zuvor nur die Konservative Margaret Thatcher geschafft.

Doch von Begeisterung war in der Wahlnacht im Labour- Lager wenig zu spüren. Zu deutlich ist der Denkzettel ausgefallen, den die Wählerinnen und Wähler dem "Irakkriegspremier" Blair ausgestellt haben. Blair gestand das selbst ein, als sich das Absinken auf einen Stimmenanteil von nur 36 Prozent (2001 waren es 41) abzeichnete.

Mit einer von 167 auf unter 66 Mandate schrumpfenden, vom Wahlrecht ermöglichten Mehrheit (nur wer pro Wahlkreis als erster durchs Ziel geht, zählt), wird das Regieren für Labour schwieriger. Selbstbewusste Abgeordnete aller Fraktionen haben es in der Vergangenheit abgelehnt, sich einer Parteidisziplin unterzuordnen. Experten haben die Schwelle, unterhalb der es für die Regierung unangenehm werden könnte, schon vor der Wahl bei 80 Sitzen Mehrheit angesetzt.

Viele Briten erinnern sich noch an die konservative Regierung des glücklosen John Major in den 90er-Jahren, die wegen ihrer geringen Mehrheit mehrmals an der Kippe stand. Jetzt werden die Konservativen alles versuchen, um Keile in die Reihen rechter und linker Labour-Abgeordneter zu treiben. Anstehende Themen wie eine Pensionsreform und die geplante weitere Öffnung des Gesundheitssektors für Private bieten sich da an. Die EU-Verfassung hat Blair taktisch geschickt durch die Ansetzung eines Referendums für 2006 aus dem Wahlkampf gehalten (und zuletzt, bei einem möglichen Nein Frankreichs, überhaupt infrage gestellt). "Euroskeptiker" gibt es jedenfalls auch bei Labour, nicht nur unter Tories.

Gestärkt geht aus diesen Wahlen Blairs Schatzkanzler Gordon Brown hervor. Brown gilt als Vater des britischen "Wirtschaftswunders", dem aber auch eine starke soziale Ader zugeschrieben wird.

Die Oppositionsparteien zeigten sich über ihre Zugewinne zwar erfreut, diese blieben aber hinter ihren Erwartungen zurück. Michael Howard, seit Blairs Triumph von 1997 bereits der dritte Tory- Chef, interpretierte den Zugewinn von knapp 31 Mandaten (auf 197) zunächst als Trendwende, obwohl die Partei mit einem Wähleranteil von 33 Prozent kaum vom Fleck kam. Freitagnachmittag kündigte er dann aber seinen Rücktritt an, sobald seine Partei einen neuen Führer designiert.

Howard führte den Wahlkampf mit Argumenten aus der untersten Lade. Er bezeichnete Blair wegen seiner Irak-Argumentation als Lügner, obwohl die Tories selbst für den Krieg gestimmt hatten. Mit scharfen Tönen gegen Einwanderer versuchte er, in umkämpften Wahlkreisen um ihre Jobs fürchtende Labour- Sympathisanten zum Wechsel zu bewegen.

Etwas gequält fiel auch die Begeisterung von Charles Kennedy, dem Chef der Liberaldemokraten, aus. Mit der Gegnerschaft zum Irakkrieg, Forderungen nach Abschaffung der Studiengebühren und dem Pochen auf Bürgerrechte hatten sich die Lib Dems links von der Labour Party positioniert, deren Politik vielen als rosarot angestrichener Thatcherismus gilt.

In einigen Labour-Hochburgen legten die Lib Dems deutlich zu, kamen aber letztlich doch nur auf knapp 62 (bisher 52) der insgesamt 646 Sitze.

Mit ihrem Wähleranteil von 22 Prozent hätten sie bei einem Verhältniswahlrecht an die 140 Sitze erreicht, rechneten Liberale vor. Doch solange die vom Mehrheitswahlrecht profitierenden Großparteien nicht davon abrücken, bleibt die Hoffnung der Liberalen, einmal die Tories zu über^holen, eine Illusion.

Die Wähler des linken Spektrums setzen nun darauf, dass Blair den Posten des Premiers bald - vielleicht schon vor Ende 2006 - an Gordon Brown abgeben wird. Brown hatte sich zuletzt massiv hinter Blair gestellt und in der Wahlnacht wie dieser gesagt, dass Labour nun wieder mehr "zuhören und lernen" werde. (DER STANDARD, Printausgabe, 7.5.2005)