Friedrich Schiller (Matthias Schweighöfer) als württembergischer Regimentsarzt.

Bild: SWR/Rolf v.d.Heydt
Der deutschen Kleinstaaterei erhebendster Dichterjüngling - ein entlaufener Regimentsmedikus namens Friedrich Schiller -, der mit seinen unfassbar aufrührerischen Räubern im Mannheimer Theater 1782 nach der Reihe verfrühte Niederkünfte und wohlige Ohnmachten provozierte, stand mit der Schwerkraft weniger auf Grüß- als auf Stolperfuß.

Wir erinnern uns: Aufsässigen Fürstenbütteln wie dem Tonsetzer Mozart wurden zur selben Zeit schmerzliche Gesäßtritte verpasst. Schiller, in dem gleichnamigen ARD-Film Martin Weinharts der Katastrophenprobefall einer neu im Entstehen begriffenen "bürgerlichen" Subjektivität, fällt aus eigenen, sozusagen freien Stücken hin.

Schiller (Matthias Schweighöfer) kauert wie ein Neurastheniker neben Tischbeinen. Er knuspert zwischen zwei Fieberschüben an Wachteln herum und verhandelt mit dem pfälzischen Prinzipal Dalberg (Jürgen Tarrach), als müsste ein Gitarrist mit Tobackkrümeln um den Mund ein paar Demobänder auf den Kabinettstisch leeren.

Er lässt sich von TV-Schauspielerinnen (Teresa Weißbach) sehr fliederduftig erregen und irrt insgesamt durch die Mannheimer Rokoko-Gärten, als ob ihm, dem Jungstar mit dem enervierenden Wahrheitsanspruch, sogleich ein Supermodel (Kate Moss?) die bestrumpften Waden nach vorne richten müsste.

Der bisherige Höhepunkt eines televisionär überwiegend niederschmetternden Schiller-Jahres brachte Mittwoch in der "Primetime" die Vergegenwärtigungskunst deutscher Geschichtsaufbereitung gnadenlos auf den Punkt: Es interessiert nicht der Aufbruch einer sich selbst zum "Projekt" erklärenden Vernunft, die vermittels Sinnesreizung die schönsten, wahrhaftigsten Anlagen des Menschen befördern helfen wollte. Es regiert der alles nivellierende Pop-Aspekt einer Ausschlachtungsmaschinerie, die, parallel zu Schiller, auch noch Hitlers letzten vergessenen Kuchenkrümel vom Obersalzberg aufliest und wie eine funkelnde Kostbarkeit präpariert. Demnächst klebt sich also Tobias Moretti eine Rotzbremse ins Mimenantlitz. Und Schiller wird im Verlauf eines langen Jahres noch oft bei weißen Unterröcken unterkriechen. (Ronald Pohl/DER STANDARD, Printausgabe, 6.5.2005)