Magnolia Electric Co
What Comes After the Blues
(Secretly Canadian/Ixthuluh)

Foto: Secretly Canadian
Ein Taschentuch, bitte ...


Das unmodernste, in seiner Verweigerung neuzeitlicher Errungenschaften ergreifendste Album der vergangenen Jahre? Wer jetzt an Bob Dylan oder andere Out-of-time-Künstler wie Neil Young, Tom Waits oder Van Morrison denkt, hat zwar auch Recht, irrt aber trotzdem. Songs: Ohia haben 2003 das Album Magnolia Electric Co veröffentlicht. Ein Titel, unter dem Jason Molina, der Mann hinter dieser Formation, seine musikalische Vision mit jeweils dafür angeheuerten Freunden nun weiterführt. Dieses Album tat jedenfalls so, als wäre es nie 1975 geworden. Als wäre Punk nicht passiert. New Wave? Hardcore? Grunge? Was'n das?

Der aus Ohio stammende Molina gab lediglich einen Hinweis auf so etwas wie Einfluss. So hinterwäldlerisch er erschien, zumindest ein Album hatte er definitiv verinnerlicht: On The Beach von Neil Young. Wie Youngs Meisterwerk aus 1974 besticht Molina mit einem abgebremsten Bluesrock, der mit seiner prägnanten Kopfstimme und einer den Mond anheulenden Gitarre in dunklen Bars angesiedelt ist. Trotz dieser wenig lebensbejahenden Ausrichtung besitzt seine adäquat verschnupfte Band eine Kraft, die zu weit mehr reicht, als nur die Schultern nach unten zu drücken und das Kinn auf die Brust fallen zu lassen: Wie Neil Young vertraut Molina auf die wundheilende Wirkung eines beseelten Keyboards. Nach einem Livemitschnitt zu Beginn dieses Jahres legt Molina nun das Studioalbum What Comes After The Blues nach. Der Titel führt Optimisten natürlich in die Irre. Wie bei dem seelenverwandten Will Oldham kommt auch bei Magnolia Electric Co nach dem Regen kein Sonnenschein - sondern die Traufe. Erneut von Steve Albini aufgenommen, betören der frühere Hardrock-Bassist Molina und eine seinen introspektiven Rock kongenial umsetzende Band erneut mit Liedgut, das am fließenden Übergang von der Hoffnung in die Verzweiflung angesiedelt ist.

Verschlafen stolpert die Band in einen Song wie Leave The City, um mit einer einsamen Tröte die erste Songzeile mehr als nur zu verdeutlichen: "It broke my heart to leave the city - means: it broke what wasn't broken in there already". Ein Taschentuch, bitte. Das bleibt so. Es greint die Gitarre, wieder versorgen rücksichtsvolle Keyboards aufbrechende Narben, reinigt das Beserlschlagzeug die Wunden. Wieder trifft Molina jeden Ton auf der Klaviatur zu Herzen gehender Gefühle. Muss noch gesagt werden, dass Komplizin Jennie Benford wie die große Emmylou Harris klingt, wenn sie in manchen Songs zu Molina ans Mikro tritt?

1974 muss ein seltsames Jahr gewesen sein. Aber so wie es hier gehegt und gepflegt wird, könnte es ruhig ewig dauern. Genialisch. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 6.5.2005)