New York - Als Künstler schob er einen Schraubenzieher unter die Oberfläche der Wirklichkeit und hob sie einen Spalt an, nicht mehr - und das wurde zum Markenzeichen Edward Hoppers.

Kommende Woche, am 11. Mai, gelangt in New York eines der letzten noch in privater Hand befindlichen Werke des amerikanischen Realisten bei Christie's unter den Hammer. Und das 1965 gemalte Chair Car entspricht jener inhaltlichen Größe, die der Kunstkritiker Robert Hughes treffend charakterisierte: "Es wirkt wie ein Augenblick geronnener Zeit, als ob der Vorhang gerade hochgegangen wäre, aber die Handlung noch nicht begonnen hätte."

Und das verleiht Bildern gewöhnlicher Dinge - und bei Hopper ist die Oberfläche stets gewöhnlich - ihre geheimnisvolle suggestive Kraft. Auf dem internationalen Kunstmarkt ist Hopper allerdings ein seltener Gast.

2004 wurden weltweit nur neun Arbeiten versteigert, fünf Radierungen und vier Zeichnungen, die mehr als eine Million Euro einspielten. Mit Clamdigger aus dem Jahre 1935 gelangte im Dezember 2002 bei Christie's in New York das bislang letzte Gemälde zur Auktion und wechselte für umgerechnet 1,3 Millionen Euro den Besitzer. Die Erwartungen für dieses die aktuelle Contemporary-Offerte von Christie's anführende Highlight liegen im Bereich eines 15-Millionen-Dollar-Zuschlages.

Aus einem anderen Blickwinkel der Realitätswahrnehmung nähert sich seit den 60er-Jahren der Amerikaner Chuck Close, der bei Sotheby's am 10. Mai als Attraktion im Mittelpunkt des Auktionsangebotes steht.

Chuck Close erklärte die Fotografie zum kunstwürdigen Gegenstand und adelte sie, indem er die Fotovorlage mittels traditioneller Rastertechnik in ein monumental vergrößertes Tafelbild umsetzte. Anfang der 70er-Jahre stellte er in Chicago und New York seine ersten Porträts aus, darunter das damals für 9000 Dollar verkaufte und aktuell auf fünf bis sieben Mio. Dollar taxierte John, zu dem Sotheby's auch die einzelnen Farbphasen der Werksmetamorphose anbietet (80.000-120.000 Dollar).

Aus einer jüngeren Produktionsphase stammt Eric, der Untersuchungen von Wahrnehmungspsychologen belegt, denen zufolge das Auge auf gerasterte Bilder reagiert und aus disparaten Elementen ein sinnvolles Ganzes zusammenfügt.

Denn es hängt vom Auflösungsgrad ab, unterschreitet die Zahl der Segmente pro Fläche eine bestimmte Zahl, ist das Konterfei nicht mehr erkennbar. Quadrat für Quadrat folgte Close hier dem technischen Abbild, auch wenn die Vergrößerung ihn zwang, einzelne Hautpartien wie abstrakte Malerei darzustellen.

Das 1990 entstandene Porträt wurde von den Experten großzügig mit 2,8 bis 3,5 Millionen Dollar taxiert. Eine nicht unrealistische Erwartung: 2004 widmete das Metropolitan Museum of Art Chuck Close eine große Personale, die nicht ohne Auswirkung auf den Kunstmarkt bleiben wird, auch weil zuletzt nicht mehr als zwei Gemälde pro Jahr zur Auktion gelangten.

Als bislang teuerste Arbeit gilt Cindy II von 1988, das Gemälde wechselte im Mai 2003 bei Christie's für 1,3 Millionen Dollar den Besitzer. Damit steht eines schon jetzt fest: Eric oder John werden den neuen Künstlerrekord ebenso sicherstellen, wie in Sotheby's zuschlagen darf. (Olga Kronsteiner/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 4. 5. 2005)