Wien - Die Wiener Städtische Versicherung will mit ihrem so genannten "zweiten Börsegang", der mittelfristig zu einem Streubesitz von 30 Prozent führen soll, auch bei Kleinaktionären punkten. Die in der gestrigen Aufsichtsratssitzung beschlossene Umwandlung der Vorzugs- in Stammaktien im Verhältnis 1:1 und die für Ende 2005/Anfang 2006 angepeilte Kapitalerhöhung um rund 20 Prozent seien Schritte auf dem Weg zu einer "Volksaktie", so Städtische-Chef Günter Geyer am Dienstag in einer Pressekonferenz.

Von Sparkassen und Banken habe man erfahren, dass viele Privatpersonen die Aktien kauften. Bei der im Dezember 2004 begebenen Wandelanleihe im Volumen von 300 Mio. Euro hätten rund 40 Prozent Private gezeichnet. Dies zeige einen Trend zum Engagement von Privatanlegern. Im Rahmen der steuerlichen Möglichkeiten geplant ist auch eine Mitarbeiterbeteiligung.

Aufnahme in den ATX bis Ende Juni möglich

In der Hauptversammlung am 24. Mai wird die Vereinheitlichung der Aktienstruktur beschlossen. Geplant ist auch die Zulassung der bestehenden Stammaktien zum Handel an der Wiener Börse zu beantragen. Die Notiz im Prime-Market Segment wird für 20. Juni erwartet. Auf die Aufnahme in den ATX hofft Geyer "Ende Juni". Derzeit notiert die Städtische mit Vorzugsaktien an der Börse, die rund 11 Prozent des Grundkapitals ausmachen. Man komme mit Umsätzen bereits jetzt in eine Höhe, die sehr "ATX-nahe" sei.

Ende 2005/Anfang 2006 soll dann das Kapital um 20 Prozent erhöht werden. Mit der Kapitalerhöhung rüstet sich die Städtische für die weitere Expansion in Mittel- und Osteuropa (CEE). Man wolle in allen Ländern, in denen man tätig sei, unter den ersten fünf bis sechs größten Versicherungen liegen. Dieses Ziel noch nicht erreicht hat die Städtische in Ungarn, Bulgarien, Serbien, Polen sowie in der Ukraine und Weißrussland.

Zum aktuellen Börsekurs brächte die Kapitalerhöhung um ein Fünftel etwas mehr als 720 Mio. Euro. Die Vorzugsaktie der Städtischen notierte Dienstag Mittag mit 41,47 Euro um 3,7 Prozent über Vortagesschluss.

18 Millionen neue Stammaktien

Das Grundkapital der Wiener Städtischen liegt derzeit bei 89,66 Mio. Euro. Insgesamt sind es 86,357.600 Stück Aktien, davon 9.450.000 Vorzugsaktien, die seit 17. Oktober 1994 an der Wiener Börse notieren (derzeit im Standard Market Continous). Zum Jahreswechsel wird das Kapital durch die Ausgabe von rund 18 Mio. Stück neuen Stammaktien auf bis zu rund 109 Mio. Stück Stammaktien angehoben.

Der Hauptaktionär Wiener Städtische Wechselseitige Versicherungsanstalt-Vermögensverwaltung ("Verein"), der derzeit 100 Prozent der Stammaktien und damit 89 Prozent des gesamten Grundkapitals besitzt, wird bei der Kapitalerhöhung voraussichtlich nicht mitziehen. Der Streubesitz wäre nach erfolgter Kapitalerhöhung bei rund 27 Prozent. Durch die Beantragung der Zulassung aller Stammaktien zur Handel an der Börse könnte der Verein aber Aktien über die Börse verkaufen. Mittelfristig, also in zwei bis drei Jahren soll der Streubesitz bei 30 Prozent liegen.

In der kommenden Hauptversammlung sollen auch die Weichen für weitere Kapitalerhöhungen gestellt werden. Genehmigt werden sollen bis 2010 weitere Kapitalerhöhungen und/oder die Begebung einer Wandelanleihe von jeweils 20 Prozent, so Geyer. Sicherstellen wolle man jedenfalls, dass die Städtische eine große österreichische Gesellschaft bleibe.

Zukauf in Rumänien

In Rumänien expandiert der Versicherungskonzern durch einen Zukauf kräftig. Erworben wird ein wesentlicher Anteil an der OMNIASIG-Gruppe. Dadurch werde man mit einem Marktanteil von 19 Prozent zur Nummer Zwei am rumänischen Versicherungsmarkt.

Der Kaufvertrag wurde am Montag vorbehaltlich der Genehmigung durch die rumänische Versicherungsaufsichtsbehörde und die Antimonopol- und Kartellbehörde unterzeichnet. Der Kaufpreis wurde nicht bekannt gegeben.

Bisher war die Gruppe in Rumänien bereits durch die UNITA S.A. sowie durch die AGRAS-Grupul Wiener Städtische S.A. vertreten und hatte Ende 2004 einen Marktanteil von rund 6,3 Prozent. Durch den nun erfolgten Erwerb einer dritten Gesellschaft werde man noch mehr am dynamischen Wachstum des rumänischen Versicherungsmarktes partizipieren können.

Im ersten Quartal kräftig zugelegt

Im ersten Quartal 2005 hat die Wiener Städtische das Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit (EGT) auf 44,2 Mio. Euro (nach HGB) verbessert. Auf IFRS-Basis wären dies 55 Mio. Euro. Die abgegrenzten Bruttoprämien des Konzerns stiegen um 21,2 Prozent auf 1,3 Mrd. Euro. Die verrechneten Prämien erhöhten sich um 20,8 Prozent auf 1,62 Mrd. Euro.

Die Combined Ratio des Versicherungskonzerns - nach Rückversicherung - lag im ersten Quartal bei rund 97 Prozent. Das angepeilte Unternehmensziel eines Jahres-EGT 2005 nach HGB von mindestens 155 Mio. Euro bzw. von 175 Mio. Euro auf IFRS-Basis wurde von der Wiener Städtischen heute bekräftigt.

Zu den abgegrenzten Bruttoprämien von 1,3 Mrd. Euro trugen die Gesellschaften in Zentral- und Osteuropa mit 475,8 Mio. Euro an Prämieneinnahmen bei. Das entspricht einem Wachstum von 47,5 Prozent. Der Anteil der ausländischen Gesellschaften beträgt damit schon mehr als ein Drittel. Auch die österreichischen Konzerngesellschaften zeigten mit einem Plus von 14,8 Prozent auf 828,6 Mio. Euro eine deutliche Aufwärtsentwicklung.

In der Wiener Städtischen AG konnten die Bruttoprämien um 9,5 Prozent auf 547,6 Mio. Euro gesteigert werden. Das EGT (nach HGB) konnte in den ersten drei Monaten um 143,4 Prozent auf 30,8 Mio. Euro gesteigert werden. Die Combined Ratio der AG liegt bei 95 Prozent.

EGT-Prognose bekräftigt

Ihre Ergebnisprognose für das Gesamtjahr hat die Wiener Städtische heute bekräftigt. Erwartet wird für den Konzern ein Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit (EGT) von mindestens 155 Mio. Euro nach HGB bzw. 175 Mio. Euro auf IFRS-Basis - das Wort "mindestens" sei dabei "zehn Mal unterstrichen", so Generaldirektor Günter Geyer. Für 2004 wird ein EGT von 126 Mio. Euro (HGB) ausgewiesen.

Den Aktionären der Städtischen will Geyer weiterhin eine mindestens 30-prozentige Ausschüttungsquote sichern. Für 2004 wird der Hauptversammlung am 24. Mai eine Dividende von 55 (45) Cent für Vorzüge und von 45 (20) Cent für Stammaktien vorgeschlagen.

Lebensversicherung kräftig gewachsen

Kräftige Zuwächse gab es im ersten Quartal in der Lebensversicherung. Die verrechnete Prämie erhöhte sich in der Gruppe um 34,5 Prozent auf rund 637 Mio. Euro. In den Nicht-Lebensparten (ohne Krankenversicherung) waren es rund 907 Mio. Euro (plus 14,3 Prozent). Insgesamt stiegen die verrechneten Prämien um 20,8 Prozent auf 1,6 Mrd. Euro. Die ausländischen Tochtergesellschaften in Mittel- und Osteuropa (CEE) tragen rund 30 Prozent zum Ertrag und rund ein Drittel zum Prämienaufkommen bei. Im Gesamtjahr 2005 werden im Konzern abgegrenzte Prämien von 4,63 Mrd. Euro erwartet, nach 4,18 Mrd. Euro 2004.

Von der prämiengeförderten Zukunftsvorsorge verkaufte der Städtische-Konzern seit dem Verkaufsstart im Jahr 2003 bis Ende März 2005 rund 140.000 Stück, davon rund 20.000 Stück heuer. Der Marktanteil liege bei mehr als 30 Prozent.

Sellitsch verläst Vorstand des "Vereins"

Zu einer möglichen Beteiligung an der österreichischen BAWAG sagte Geyer, die Situation sei von BAWAG-Generaldirektor Johann Zwettler sehr deutlich klar gestellt worden. Zwettler hatte in der Vorwoche erklärt, dass es mittelfristig keine Änderungen der Eigentümerstruktur der zu 100 Prozent im Eigentum des Österreichischen Gewerkschaftsbundes (ÖGB) stehenden Bank geben soll. Die Partnerschaft mit der Erste Bank der oesterreichischen Sparkassen habe für die Städtische jede Priorität.

Beim derzeitigen Haupteigentümer der Wiener Städtischen, der Wiener Städtische Wechselseitige Versicherungsanstalt-Vermögensverwaltung ("Verein"), wird es zu Änderungen im Vorstand kommen. Der langjährige Städtische-Generaldirektor Siegfried Sellitsch wird sich aus seinem Amt als Vorstandsvorsitzender zurückziehen. Sein Nachfolger wird aus dem Vorstand der Versicherung kommen. Aufsichtsratsvorsitzender wird weiterhin der Wiener Altbürgermeister Helmut Zilk sein. Der Verein werde die Städtische wie bisher in vielen Aktivitäten unterstützen, so Geyer. (APA)