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Der Historiker Michael Wolffsohn hat dem SPD-Chef Franz Müntefering vorgeworfen, mit seiner Kapitalismus-Kritik gegen Unternehmer so zu hetzen wie einst Nationalsozialisten gegen Juden.

Foto: EPA/Daniel Karmann
Berlin - Ungeachtet des schärfer werdenden Tons in der Kapitalismusdebatte will die SPD das Thema weiter vorantreiben. "Ich will die Debatte jetzt forcieren", kündigte SPD-Chef Franz Müntefering in einem Interview an. Dabei verwies er auch auf eine Reihe von Maßnahmen unter anderem zur Offenlegung von Managergehältern, die ergriffen werden sollten.

Der deutsche Finanzminister Hans Eichel (SPD) nahm Müntefering gegen Kritik in Schutz. Über "Auswüchse" des Kapitalismus, die es gebe, müsse auch gesprochen werden, sagte er am Mittwoch in Berlin. Vertreter von SPD und Grünen attackierten erneut den Historiker Michael Wolffsohn, der Münteferings Unternehmerkritik mit der NS-Judenhetze verglichen hatte.

Gegen "Marktwirtschaft pur"

Die Sozialdemokratie müsse etwas dazu sagen, "wie wir in Zeiten der Globalisierung eine soziale Marktwirtschaft bleiben können und nicht in die Marktwirtschaft pur abrutschen", verteidigte Müntefering seine Haltung.

Konkret nannte er vier Maßnahmen, die teils bereits von der Rpt-Grün-Regierung beschlossen wurden. So verwies er auf die Ausweitung des Entsendegesetzes für alle Branchen. Die Gewerkschaften hätten zu wenig Macht im Niedriglohnbereich. Auch nannte er eine Veröffentlichung von Managergehältern. Darüber wird derzeit noch regierungsintern beraten. Die Versorgung von kleinen und mittleren Firmen mit zinsgünstigen Krediten nannte der SPD-Chef ebenso wie die Schaffung von einheitlichen Steuersätzen in Europa.

Nicht näher eingehen wollte Müntefering auf die Kritik von Wolffsohn. "So einen Unsinn kommentiere ich nicht", sagte er. SPD-Fraktionsvize Ludwig Stiegler griff Wolffsohn hingegen scharf an. Der Historiker versuche zu emotionalisieren und die Debatte "abzutöten", indem er sie in einen "falschen Kontext" stelle, sagte Stiegler der "Netzeitung". Eine Entschuldigung wollte er nicht fordern, denn dazu sei Wolffsohn "strukturell gar nicht fähig".

Stiegler betonte: "Er lebt zeitweise in der Scheinwelt seiner abwegigen Vorstellungen." Zudem sei er "offenbar auch ein miserabler Historiker". Grünen-Fraktionsgeschäftsführer Volker Beck stellte sich ebenfalls hinter Müntefering. Die Kritik von Wolffsohn nannte er "völlig daneben". Die Kapitalismus-Debatte sei im Kern richtig.

Finanzminister Eichel betonte, Müntefering habe einzelne Auswüchse kritisiert. Es gehe um ein "soziales Antlitz" der Wirtschaftsordnung. Zugleich unterstrich er aber, dass nationales und internationales Kapital für Deutschland unerlässlich seien. Kritisch äußerte er sich zu einzelnen Entwicklungen in der internationalen Finanzwelt wie die Off-Shore-Finanzzentren, in denen keine oder kaum Steuern gezahlt werden und Regulierungen weitgehend inexistent sind.

Doch dauerte in der rot-grünen Koalition auch die Debatte über Müntefering an, der bestimmte Unternehmer als profitgierig kritisiert und mit Heuschrecken verglichen hatte.

Unwort des Jahres

Der Chef der Jury für das Unwort des Jahres, Horst Dieter Schlosser, schloss sich der Kritik an Münteferings Wortwahl an. Der "Verbalradikalismus" des SPD-Chefs erinnere ihn an die Propaganda der NS-Herrschaft, sagte er im Deutschlandradio Kultur. Münteferings "Heuschrecken"-Vergleich werde von der Mehrheit der Menschen pauschal auf alle Unternehmer als Gegner bezogen. Als "absurd" bezeichnete er aber den Vergleich Wolffsohns mit der NS-Judenhetze. (APA)