Pressefoto Wir sind Helden

Wien – "Whatever happened to the heroes? No more heroes any more! No more heroes any more!" Zu dem ausklingenden Stranglers-Song No More Heroes betrat am Sonntagabend die Band Wir sind Helden die Bühne. Dieser Versuch einer ironischen Brechung verschwand im euphorischen Hallo-Applaus weißhaariger Mittfünfziger und dem Gekreisch zappeliger Teenies.

Immerhin war der Andrang auf die an zwei Abenden in der Wiener Arena auftretende Band für die ganze Familie so groß, dass Judith Holofernes und ihre drei Mitstreiter den Saal fünfmal ausverkaufen hätten können. Sogleich stürzten sich die Helden in den ersten Song, der alle Erkennungsmerkmale dieses 2003 mit dem Erfolgsalbum Die Reklamation aufgetauchten Quartetts beinhaltete: ruppige Gitarrenriffs zu kantigen Rhythmen und ebenso wirksame wie simple Keyboardsounds, die dem Gesang von Holofernes jene Basis sind, auf der sie ihre Progressivschlager vorträgt.

Wir sind Helden zählen mit über 500.000 verkauften Alben zur Speerspitze des Booms deutschsprachiger Popmusik und verlassen sich stilistisch auf Errungenschaften der Neuen Deutschen Welle. Jenes Trends, der in den 80ern eine einigermaßen selbstständige deutsche Popmusik auf Höhe der Zeit etablierte. Erstmals sang man wieder, ohne rote Ohren zu bekommen, in der Muttersprache und versagte sich die Schönfärberei und relative Konfliktlosigkeit, die den deutschen Pop der Wirtschaftswunderzeit charakterisierte. Stattdessen gab man sich der neu entdeckten Kaltschnäuzigkeit der New Wave hin und betrachtete die Welt gerne mit gepflegter Naivität oder distanzierter Kühle. Wer sich an die Berliner von Ideal (Blaue Augen, Eiszeit, Sex in der Wüste, ...) erinnert – Bingo!

Top in den Ö3-Top-Ten

Jetzt erschien das Folgealbum Von hier an blind. Ein Werk, das wenig von dem Charme versprüht, den das Debüt ausmachte und sich musikalisch an ein Schlagerpublikum mit Matura wendet. Gleichzeitig versucht die Band mit dem unerwarteten Erfolg umzugehen. Immerhin haben die Helden seit ihrem Debüt den Ruf, konsum- und medienkritisch zu sein. Da scheint ein erster Platz in den Ö3-Top-Ten Erklärungsbedarf zu bedeuten. Etwas, das Holofernes dann auch im Konzert versuchte, als sie sich etwa von der Raiffeisenbank als Sponsor des Konzertveranstalters ausdrücklich distanzierte. Ein großer Schritt, wenn man bedenkt, dass man mit Aufmüpfigkeit, die dann aber eh brav den Amtsweg einhält (Die Reklamation) schon als systemkritisch gilt.

Das Konzert verlief ebenfalls zwiespältig: Während die Songs der ersten Albums dem Publikum affirmative Chorgesänge und Partystimmung entlockten, tratschte dasselbe während der Welterklärungsmodelle des zweiten. Immerhin: Das auf Platte eher unterirdische Stück "Zuhälter" erfuhr live ungleich poppiger gespielt eine nicht uncharmante Neudeutung. Auch ein stellenweise Einsatz findendes Disco-Schlagzeug konnte Mehrwerte aus einer tendenziell sehr bescheiden ausgerichteten Musik generieren.

Der Stimmung tat das keinen Abbruch und viel bejubelt gaben Wir sind Helden ihre aktuelle Single "Gekommen um zu bleiben" und erwähnte "Reklamation" zum Besten. (DER STANDARD, Printausgabe vom 3.5.2005)