Berlin - Die von SPD-Chef Franz Müntefering angestoßene Kapitalismus-Debatte sorgt nun auch für Streit mit dem grünen Koalitionspartner in Berlin. Die Grünen nahmen die deutsche Wirtschaft am Montag vor Pauschal-Kritik in Schutz und warnten die SPD davor, einzelne Unternehmen an den Pranger zu stellen. Wer das Ungleichgewicht zwischen stagnierenden Arbeitnehmerlöhnen und Rekord-Gewinnen der Unternehmen individualisiere, trage der nötigen Strukturdebatte "nicht unbedingt am besten Rechnung", sagte der Grünen-Vorsitzende Reinhard Bütikofer im Hinblick auf eine Liste der SPD-Bundestagsfraktion mit Aktivitäten von Investment-Gesellschaften, die an die Öffentlichkeit gelangt war.

Der stellvertretende SPD-Vorsitzende Kurt Beck warf den Grünen vor, in der Kapitalismus-Debatte keine klare Position zu beziehen. Aktienexperten widersprachen Befürchtungen mehrerer Konzernchefs, die Kapitalismus-Kritik der SPD könnte ausländische Investoren verschrecken.

Die Grünen-Fraktionsvorsitzende Katrin Göring-Eckardt kritisierte den von Müntefering gezogenen Vergleich zwischen Finanzinvestoren und Heuschreckenschwärmen. "Im Alten Testament heißt es, die Heuschrecken seien in großer Zahl über das Land gekommen und hätten alles kahl gefressen", sagte Göring-Eckardt der "Berliner Zeitung". "Das kann man bei aller berechtigter Kritik den Unternehmern nun wirklich nicht und schon gar nicht pauschal vorwerfen." Bütikofer sagte: "Manchmal hilft vielleicht eine schärfere Sprache dazu, ein Problem zu Gehör zu bringen." Die wichtige Wertedebatte um soziale und ökonomische Verantwortung von Unternehmen müsse aber im Dialog mit der Wirtschaft geführt werden.

Im Hinblick auf die SPD-Liste mit Private-Equity-Firmen sagte Bütikofer, die dort aufgeführte US-Investment Bank Goldman-Sachs habe in den vergangenen Monaten durchaus positive Beiträge zur wirtschaftspolitischen Diskussion in Deutschland geleistet. Müntefering hatte unter anderem Finanzinvestoren mit Heuschreckenschwärmen verglichen, die alles leer fräßen und danach weiterzögen.

Der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Ludwig Stiegler bekräftigte den Heuschrecken-Vergleich. Die von Mitarbeitern der Fraktion erstellte Liste von Aktivitäten von Investment-Firmen sei sinnvoll zur Analyse von deren Verhalten: "Da gibt es welche, das sind Nutztiere, und es gibt auch welche, die sind Heuschrecken." In der SPD wurde die Bedeutung der Liste jedoch heruntergespielt. Es handle sich um die Zusammenstellung von längst in der Presse veröffentlichten Aktivitäten. Nach ihrem Bekanntwerden hatten sich mehrere darin genannte Firmen gegen die Darstellung ihres Handelns gewehrt. Ein Sprecher des Bundesfinanzministeriums betonte, die Regierung plane keine strengeren Regeln für Hedgefonds in Deutschland, die in der Kapitalismus-Debatte als Beispiel für ungezügelte Profitgier angeführt wurden.

Nach Einschätzung von Aktienexperten dürfte die Debatte das Ansehen Deutschlands bei ausländischen Investoren nicht fördern, aber absehbar ohne Folgen für das Investitionsverhalten bleiben. "Entscheidend ist für eine Investition immer noch, was für eine Rendite herauskommt", sagte Markus Reinwand, Marktstratege bei Helaba Trust. Frank Schallenberger, Aktienstratege bei der Landesbank Baden-Württemberg, verwies darauf, dass die Debatte über Schattenseiten des Kapitalismus auch im Ausland geführt werde. "Zudem dürften die Investoren erkennen, dass es hier auch um politisches Kalkül vor einer wichtigen Landtagswahl geht." (APA/Reuters)