Es gibt Expertenschätzungen, dass es heute dreißig oder vierzig Atomwaffenstaaten auf der Welt geben würde - und nicht fünf offizielle (USA, Russland, China, Großbritannien, Frankreich), drei inoffizielle (Israel, Indien, Pakistan) und einen wahrscheinlichen (Nordkorea) -, wäre nicht vor 35 Jahren der Atomwaffensperrvertrag in Kraft getreten. Verteidiger des Paktes, der die Einteilung der internationalen Gemeinschaft in nukleare "Haves" und "Have nots" festgeschrieben hat, machen darauf aufmerksam, dass seit Inkrafttreten des NPT (Non-Proliferation Treaty) viel mehr Staaten Atomwaffen oder Atomwaffenprogramme aufgegeben als begonnen haben.

Wobei man redlicherweise anfügen muss, dass die "Bekehrungen" oft nichts mit dem NPT zu tun hatten, sondern auf politische Veränderungen im betreffenden Land (wie im Fall Südafrika das Ende der Apartheit) oder Zwang (wie im Fall Irak) zurückzuführen waren. Aber immerhin, bis jetzt hat das System im Großen und Ganzen gehalten.

Umso ernüchternder, wenn man vor der am Montag beginnenden NPT-Konferenz in New York feststellen muss, dass die internationale Gemeinschaft zu diesem Thema so zerstritten ist, dass sie sich nicht einmal auf Programm und Abläufe der Konferenz einigen konnte, geschweige denn auf Inhalte. Es ist dies ein Resultat einer nach 9/11 bis zum Zerreißen polarisierten Welt. Dreizehn Schritte, zu denen sich die NPT-Unterzeichnerstaaten bei der Konferenz 2000 einigen konnten, sind heute nicht mehr das Papier wert, auf dem sie geschrieben stehen: Unter anderem wurden die "Wichtigkeit und Dringlichkeit" betont, das Atomteststoppabkommen zu unterzeichnen, und die atomare Abrüstung als Endziel des Vertrags bekräftigt. Von beidem wollen die USA heute nichts mehr hören, sondern basteln im Gegensatz dazu an "Mini-Nukes". Ein Klima, das die atomaren Habenichtse der Welt nicht unbedingt zu noch mehr Verzicht inspiriert. (DER STANDARD, Printausgabe, 2.5.2005)