Wien - Im Kampf gegen die Arbeitslosigkeit plant die Regierung eine Direktinvestition von einer Milliarde Euro für die Forschung. Das hat Bundeskanzler Wolfgang Schüssel (V) in seiner Eröffnungsrede zum Reformdialog am Sonntag in Wien angekündigt. Gleichzeitig forderte er die Länder auf, dem Beispiel des Bundes zu folgen und ebenfalls in die Forschung zu investieren. 3.000 Arbeitsplätze sollen durch die Förderung von Energieprojekten, wie Kraftwerksbauten, entstehen.

Schüssel regte zugleich die Sozialpartner dazu an, erneut den Dialog über die Arbeitszeitflexibilisierung aufzunehmen. Im Kampf gegen den Sozial- und Wirtschaftsbetrug werde der Bund die Zahl der Kontrolleure verdoppeln, so Schüssel. Zudem sollen die Strafen kräftig erhöht werden.

"Keine klare Antwort" konnte der Kanzler, wie er selbst sagte, auf die zu hohe Sparquote geben. Er bat daher die Teilnehmer des Arbeitsmarktgipfels um Anregungen zur Stärkung der Kaufkraft.

Gorbach will KMU bevorzugen

Vizekanzler Infrastrukturminister Hubert Gorbach (B) hat sich beim Reformdialog Beschäftigung für eine Bevorzugung von Klein- und Mittelbetrieben bei der öffentlichen Vergabe ausgesprochen. Als Beispiel nannte er Frankreich, wo 25 Prozent eines Auftrages an heimische kleinere Firmen erteilt werden müssen.

Weiters wies Gorbach auf die Slowakei hin, wo sich eine geringe Steuerquote positiv auf den Wirtschaftsstandort ausgewirkt habe. Die eigene Infrastrukturpolitik bei Schiene und Straße lobte der Minister. Zufrieden zeigte er sich auch im Forschungsbereich, wo diese Regierung in den vergangen fünf Jahren weit mehr gemacht habe als die Vorgängerregierungen.

Verheugen mahnt Verantwortung ein

EU-Kommissar Günter Verheugen hat die soziale Verantwortung der Wirtschaft im Zuge der Globalisierung eingemahnt. Diese sei durch das Zusammenwachsen der Welt noch höher geworden. Es sei zwar nicht daran gedacht, rechtliche Vorschriften gegen die Verlagerung von Arbeitsplätzen zu erlassen, aber die EU wolle "die Wirtschaft ermutigen, ihre Verantwortung wahrzunehmen", so Verheugen.

Er warnte davor, die aufstrebenden Nationen außerhalb Europas zu unterschätzen. So habe man über die ersten japanischen Autos auf deutschen Straßen noch gelacht. Gleichzeitig sprach er sich aber dagegen aus, mit dem Zusammenwachsen Europas Ängste zu schüren. Konkret sprach Verheugen dabei Kritik an der Osterweiterung, wie sie auch von manchen aus Österreich gekommen sei, an.

Van der Bellen: Von Frauenpolitik nichts gehört"

"Von Frauenpolitik habe ich heute nichts gehört", bemängelte Grünen-Chef Alexander van der Bellen. Keine Lösungsansätze seien auch zum Thema Universitäten gekommen und bei den anderen Schulthemen würden die Experten bei den Grünen ohnehin offene Türen einlaufen.

Dass eine bessere Ausbildung für Menschen mit Hauptschulabschluss von der Regierung angedacht wird, sei zwar positiv, Mittel dafür seien jedoch keine vorgesehen, betonte der Grünen-Chef. Im Lehrstellenbereich sieht er Versäumnisse der Sozialpartner. Er bezog sich dabei auf mehrere Wortmeldungen, wonach die Ausbildung von Lehrlingen nicht exakt auf die Bedürfnisse der Wirtschaft abgestimmt sei.

Die von der Regierung geplante Förderung für Unternehmen, die Lehrlinge neu anstellen, sieht Van der Bellen als mögliche Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes. Es würde jene Firmen benachteiligen, die jetzt schon umfangreich ausbilden.

Grasser: "Kompromisslos" gegen Wirtschaftsbetrug

Finanzminister Karlheinz Grasser gab bekannt, den den Kampf gegen Scheinselbstständigkeit und Schwarzarbeit verstärken zu wollen. Grasser wolle hier "kompromisslos vorgehen" und die Kräfte zur Betrugsbekämpfung in der Schwarzarbeiterbehörde KIAB verdoppeln. Außerdem sollen die Strafen "erheblich" erhöht werden.

Rürup für Produktivitätssteigerung

Einen radikal liberalen Kurs zur Schaffung von Beschäftigung hat der deutsche Wirtschaftsexperte Bert Rürup vorgeschlagen. Die Erwerbstätigen müssten "ihre Produktivität steigern und kapitalintensiver" werden. "Die Kosten für die Gesundheit sollten von den Arbeitskosten abgekoppelt werden." Damit könne einerseits die "Arbeit billiger und anderseits das Wachstumspotenzial im Gesundheitswesen gefördert werden", so die Vorschläge Rürups.

Eine Produktivitätssteigerung sei nicht zuletzt durch Verschiebungen in den Gesellschaftsstrukturen notwendig geworden. "Die Alterung frisst die Produktivität", so die Diagnose des Experten, der einen Produktivitäts-Konkurrenzkampf ortete. Er sprach sich weiters für die Flexibilisierung der Arbeitszeiten aus. "Und auch die Selbstständigenquote von 10 Prozent in Österreich ist verbesserungswürdig." Schließlich gestand Rürup ein, dass Österreich von der deutschen Wirtschaft in Mitleidenschaf gezogen worden sei.

Verzetnitsch fordert rasche Maßnahmen

"Herr Bundeskanzler, ich verlange jetzt Aktivitäten", betonte ÖGB-Chef Fritz Verzetnitsch beim Arbeitsmarktgipfel in der Wiener Hofburg. In Österreich gebe es ständig steigende Arbeitslosenzahlen, nun seien Investitionen gefordert, die rasch wirken. Der ÖGB-Boss betonte dabei vor allem die Ausbildung, alleine 120.000 Menschen mit Lehrabschluss hätten derzeit keinen Job. Hier sei auch die Wirtschaft gefordert, klar zu sagen, welche Ausbildungen sie haben möchte.

Als weiter Beschäftigungsmotoren nannte Verzetnitsch die Stärkung der Kaufkraft und den rascheren Ausbau der Verkehrs-Infrastruktur. Bei letzterem gäbe es zwar jede Menge Ankündigungen von Bundeskanzler Wolfgang Schüssel (V) was die Beschleunigung der Verfahrensabläufe betrifft, doch diese seien bis jetzt noch nicht umgesetzt worden. Verzetnitsch forderte auch eine Änderung bei den Gewerbemeldungen, um Scheinselbstständigen leichter auf die Schliche zu kommen.

WIFO: Viel getan, aber noch viel notwendig

Das derzeitige Wirtschaftswachstum reicht für mehr Beschäftigung, aber nicht zur Senkung der Arbeitslosenquote, erklärte Wifo-Chef Karl Aiginger. Aiginger präsentierte einen Sieben-Punkte-Vorschlag für mehr Beschäftigung: Forschung und Innovation, Ausbildung, Weiterbildung, Infrastruktur, Arbeitsmarkt, Betriebsgründungen und Umwelttechnologie.

Aiginger regte an, die Weiterbildung mit der Flexibilisierung der Arbeitslosigkeit zu junktimieren. Weiters forderte er einen "standortbetonten" Infrastrukturausbau, wo zwar schon einiges geschehen sei, aber noch mehr als geplant investiert werden müsse. Im Bereich Arbeitsmarkt forderte das Wifo Anreize zum Wiedereinstieg ins Berufsleben und mehr Maßnahmen gegen die Schwarzarbeit.

IHS fordert Verbesserung in der Ausbildung

IHS-Chef Bernhard Felderer ging in seiner Wortmeldung insbesondere auf die Aus- und Weiterbildung ein. Österreich setzt zwar im Schulbereich hohe Summen ein, trotzdem gebe es, wie die Pisa-Studie gezeigt habe, Mängel. So reiche die Lehrausbildung für die derzeitigen Herausforderungen nicht mehr aus.

Im Bereich Infrastruktur habe die Regierung zwar große Anstrengungen unternommen, trotzdem liege man noch immer nur im EU-Mittelfeld - insbesondere beim Schienenverkehr, so Felderer.

Industriellenvereinigung begrüßt Forschungsinvestition

Positive Reaktionen hat die von Bundeskanzler Wolfgang Schüssel (V) angekündigte Forschungsanleihe von einer Mrd. Euro bei der Industriellenvereinigung (IV) ausgelöst. IV-Präsident Veit Sorger bedankte sich beim Reformdialog am Sonntag in der Hofburg sogar ausdrücklich dafür. WKÖ-Präsident Christoph Leitl sprach sich für eine verstärkte Vernetzung auf Bezirksebene zwischen AMS, Sozialpartnern und Wirtschaft aus.

Als weiteres Anliegen nannte die Industrie die Verfahrensbeschleunigung durch die "Konzentration auf ein Ministerium", wobei spezialisierte Projektmanager eingesetzt werden sollten, erklärte Sorger. Spezialisten bräuchte es seiner Meinung nach auch im Bereich der EU-Finanzierung. Hier würden nämlich die zur Verfügung stehenden "Mitteln nicht voll ausgeschöpft", kritisierte er.

Zum Ausbau der Infrastruktur schlägt die IV einen Fonds vor, mit dem Projekte sofort finanziert und somit vorgezogen werden können. Sorger bekräftigte auch die Forderung der Industrie nach einem Kraftwerksausbau. "Mit Investition von rund drei Mrd. Euro könnten die bis zum Jahr 2010 benötigten 3000 MW Stromkapazität und 4.000 zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen werden", erläuterte Sorger. Er betonte weiters den Wunsch der Industrie nach einer Arbeitszeitflexibilisierung.

Für Gusenbauer Null-Ergebnis

Eine vernichtende Bilanz hat SPÖ-Chef Alfred Gusenbauer nach dem Reformdialog gezogen. Die Regierung habe keinerlei echten Maßnahmen vorgelegt, das Ergebnis "ist gleich Null", so Gusenbauer nach dem Arbeitsmarktgipfel in der Hofburg. Vizekanzler Hubert Gorbach (B) zeigte sich hingegen durchaus zufrieden.

Gusenbauer stieß sich vor allem an der nicht beantworteten Finanzierungsfrage. "So lange der Finanzminister nicht beantworten kann, wie er die angekündigten Vorhaben finanzieren will, bleiben alle Vorschläge nur leere Worte und Theorie." (APA/Red)