"In vier Tagen ist die Organisation gestanden, nach 19 Tagen war sie genehmigt - da kann man sich heute noch was abschauen", seufzt Fritz Verzetnitsch. Der Präsident, selbst nur wenige Tage jünger als der ÖGB, feierte am Donnerstag den 60. Geburtstag seiner Organisation - mit durchaus kritischen Tönen.
Weniger Mitglieder Nicht, dass der ÖGB seine Leistungen verstecken müsste, ganz im Gegenteil. Aber: "Viele zum Teil hart erkämpfte Erfolge der Gewerkschaften werden heute von vielen Menschen einfach als Selbstverständlichkeit angesehen." In der Praxis versteckt er die Leistungen eben doch - und manche Arbeitnehmer meinen dann, dass etwa die regelmäßigen kollektivvertraglichen Gehaltserhöhungen von selbst kämen.
Das wirkt sich dann auch in der Mitgliederzahl aus: Der Organisationsgrad der Beschäftigten geht langsam, aber stetig zurück - der ÖGB hat heute weniger als 1,4 Millionen Mitglieder, wobei jedes siebente Gewerkschaftsmitglied ein Pensionist ist.
Aber am Donnerstag sollte schön gefeiert werden. Also lud die Gewerkschaft zu Pressekonferenz, festlicher Vorstandssitzung und schließlich zu einer Feierstunde ins Volkstheater. Pflichtschuldig stellte sich Arbeiterkammer-Präsident Herbert Tumpel - er war früher Leitender Sekretär des ÖGB - mit einer Gratulation ein: "60 Jahre Österreichischer Gewerkschaftsbund sind 60 Jahre voller Einsatz für die Rechte der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Ohne den Einsatz und die Kraft der vielen Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter wäre die Erfolgsgeschichte der Zweiten Republik gar nicht möglich geworden."
Verzetnitsch nennt als Beispiel dafür, dass die Gewerkschaften in der Nachkriegszeit darum gerungen haben, ob der knappe Zement für den dringend benötigten Wohnraum oder eher für die ebenso dringende Fertigstellung der Kraftwerksgruppe Glockner-Kaprun eingesetzt werden sollte. Die Gewerkschaften steckten im Namen ihrer Mitglieder beim Lebensstandard zurück, der Zement ging nach Kaprun - der Volkswirtschaft hat es genützt.
Und es hat das Selbstverständnis des ÖGB geprägt: Die Gewerkschaften verstehen sich in Österreich als dem Gemeinwohl - und nicht nur den Interessen der Mitglieder - verpflichtet. Zudem hat den damals jungen Anton Benya die Stromknappheit und der gewerkschaftliche Einsatz für die E-Wirtschaft persönlich tief beeindruckt; was erklärt, warum der ÖGB in der Ära Benya so vehement für das AKW Zwentendorf und für Hainburg eingetreten ist.
Beides war vergeblich.
Viel lieber erinnert man sich daher an die sozialpolitischen Erfolge - ob es eigene sind, wie die Arbeitszeitverkürzung oder fremde (wie die Umwandlung der Abfertigung in eine Zusatzpension).