Will Brooks alias MC Dälek (ganz rechts): "Das wird nichts für meine Oma."

Foto: Ipecac Records

Krems - Auf die Bemerkung, Absence, das aktuelle Album von Dälek sei ein ziemliches Monster, lächelt Will Brooks höflich und sagt danke. Später wird der 29-Jährige meinen, dass es dem HipHop-Trio aus New Jersey aber nicht vorrangig darum gehe, das Publikum vor den Kopf zu stoßen. Live - okay - da seien Dälek wie ein Panzer, der durch die Nachbarschaft donnert. Da könne es schon passieren, dass einmal einige Leute aus dem Saal fliehen würden. Und, so Brooks grinsend: "Meine Oma würde ich auf ein Konzert meiner Band sicher nicht mitnehmen."

Apropos: Will Brooks alias MC Dälek sitzt im siebten Wiener Gemeindebezirk in einer Wohnung, die aussieht, als hätte er sie eben von einer Oma geerbt: vergilbte Blumentapeten, dunkles Holz, dazwischen Altrosa und moosgrüne Farbtupfer, kitschige Luster, Rüschen - und noch mehr Holz.

"Artists in Residence"

Brooks und seine Mitstreiter DJ Still und Oktopus sind in dieser museal anmutenden Wohnung als "Artists in Residence" des laufenden Donaufestivals untergebracht. Zusammen mit dem Wiener Wolfgang Schlögl alias I-Wolf bereitet man den Auftritt der Dälek/I-Wolf Big Band am kommenden Samstag in Krems vor.

Wie der Sofa Surfer Schlögl versagen sich Dälek musikalischen Schablonen, forschen abseits der Trampelpfade genresprengend nach neuen Ausdrucksmöglichkeiten. Dälek - gesprochen: dialect - gehen jenen Weg weiter, den Innovatoren wie Public Enemy, New Kingdom oder das New Yorker Label Wordsound einst eingeschlagen haben: Zu zähen, tonnenschweren Rhythmen, stellen sie mächtige Wall Of Sounds und schaffen so einen zeitgenössischen Entwurf, der an jene Tage erinnert, als HipHop noch nicht im Mainstream zu finden war.

Brooks: "HipHop passierte, was jedem afroamerikanischen Stil davor auch zugestoßen ist. Egal ob Jazz, Rhythm 'n' Blues oder Rock 'n' Roll. Sobald etwas populär und damit Big Business wird, verliert es seine Ecken und Kanten."

Sind Dälek also so etwas wie die Gegenkultur innerhalb des HipHop? Brooks: "Es gibt immer noch einen HipHop-Underground. Das Problem sind die Medien. Zumindest in den USA verschlimmert es sich dahingehend, dass es bald nur noch eine Firma geben wird, die entscheidet, welche Musik auf Sendung geht. Dazu kommen die vier großen, marktbeherrschenden Musikverlage, die eben nur jenen HipHop veröffentlichen, der massentauglich ist. Man darf aber nicht glauben, dass das tatsächlich HipHop sei! Zum Glück gibt es Grenzgänger wie Mos Def oder Talib Kweli, die zwischen Underground und Mainstream einen Informationsaustausch gewährleisten und nach wie vor sehr inhaltsbewusste Alben machen. Generell gilt: Die Künstler sind also da, das Publikum ebenso. Nur der mediale Fokus ist woanders."

Dem setzen Dälek die Logistik und die Möglichkeiten einer vernetzten Welt entgegen. Die Ende der 90er-Jahre mit dem Album Negro, Necro, Nekros erstmals in Erscheinung getretene Formation kooperierte in den letzten Jahren mit Künstlern wie Techno Animal oder den deutschen Faust, mit DJ Spooky, den Polit-Rappern The Roots oder The Pharcyde - also von strenger Avantgarde bis zu ausgesucht funky HipHop.

Brooks: "HipHop ist für mich ein evolutionärer Begleiter. Dem versuchen wir als Band gerecht zu werden. Im HipHop hat man grundsätzlich keine Berührungsängste. Nur sind wir eben über das Stadium hinweg, in dem HipHop bloß Partymusik war. Bei uns singt das Publikum nicht mit, es gibt keine ,Put your hands in the air!'-Animation. Wir wollen lediglich mit für uns interessanten Musikern zusammenarbeiten - und hoffentlich interessante Ergebnisse zutage fördern."

Unter diesen Voraussetzungen produzierten Dälek bisher tatsächlich Herausragendes. Die letzten beiden Alben veröffentlichte der rastlose Musikinnovator Mike Patton auf seinem Ipecac-Label. Dieses verlegt von Country bis zu abstraktem Metal alles - solange es ungewöhnlich und originär klingt.

Realpolitisch

Eine Voraussetzung, die Dälek locker erfüllen. Zu dem einzigartigen Sound von Dälek kommen politische Standpunkte, die über das Republikaner-versus-Demokraten-Schwarz-Weiß hinausgehen.

Brooks: "Es ist schon seltsam. Der einzige Ort, an dem ich mich als Amerikaner fühle, ist hier in Europa, weil ich oft auf die Politik der USA angesprochen werde. Der Witz daran: Als Schwarzer in Amerika führe ich ja immer noch eine Randexistenz. Niemand weiß besser, wie beschissen das System ist, als wir. Wenn mich jemand fragt, kann ich also nur sagen: Ja, es ist echt schlimm. Aber das ist nichts Neues. Die USA werden seit ihrer Gründung von reichen Leuten regiert. Kerry oder Bush? Das ist nicht wirklich wichtig. Es liegt nicht an den jeweils dem Staat vorstehenden Individuen, das System als solches krankt." (Karl Fluch/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 29. 4. 2005)