London - Kein Ende der schlechten Nachrichten für Frauen, die nach der Menopause eine Hormonersatztherapie erhalten: Je nach verwendeter Strategie steigt nicht nur das Herzinfarkt- und Brustkrebsrisiko, es können sich auch vermehrt Fälle von Endometrium-Karzinomen einstellen. Dies ergibt sich aus einer neuen Auswertung der britischen Million Women Study, die in der britischen Fachzeitschrift "The Lancet" veröffentlicht wird.

Studie sorgte schon einmal für Aufregung

Die Million Women Study hat schon im August 2003 für Aufregung gesorgt. Dabei wurden von 1996 bis 2001 insgesamt 1,084.110 Frauen zwischen 50 und 64 Jahren in Großbritannien im Rahmen des nationalen Brustkrebs-Screeningprogrammes befragt, welche Hormonersatztherapie sie durchführen, wie lange und in welcher Dosierung. Bei der Untersuchung wurde gezeigt, dass sich das Risiko einer Brustkrebserkrankung um 66 Prozent erhöht. Die alleinige Östrogentherapie, wie sie bevorzugt bei Frauen ohne Gebärmutter (nach vorheriger Hysterektomie) eingesetzt werde, zeigte ein erhöhtes Risiko um 30 Prozent. Östrogen/Gestagen-Kombitherapien führten zu um 45 bzw. 44 Prozent mehr Brustkrebsfällen. Die Österreichische Krebshilfe warnte vor dem Hormonersatz.

Valerie Beral von der Abteilung für Krebsforschung an der Universität Oxford und ihre Co-Autoren untersuchten nun an Hand der Daten von 716.738 Frauen aus der Million Women Study die Auswirkungen der verschiedenen Hormonersatztherapien auf die Entstehung von Endometriumkarzinomen, die sich aus der Gebärmutterschleimhaut entwickeln.

Die Ergebnisse:

- Die Kombinationstherapie von Östrogenen und Gestagenen in gleich bleibender Dosierung reduzierte zwar die Häufigkeit von Endometriumkarzinomen um 29 Prozent, doch sie stehen ja unter Verdacht, Brustkrebs hervorzurufen.

- Das synthetische Hormon Tibolon bewirkte ein um 79 Prozent erhöhtes Endometriumkarzinom-Risiko.

- Die alleinige Einnahme von Östrogenen steigerte die Gefährdung um 45 Prozent.

- Wurden hingegen Kombinationspräparate in zyklisch sich verändernder Dosierung verwendet, ergab sich im Vergleich zu Frauen ohne Hormonersatz keine Änderung beim Karzinomrisiko.

Dilemma

Univ.-Prof. Valerie Beral: "Diese neuen Ergebnisse ergeben ein Dilemma für Frauen, die noch eine Gebärmutter haben (keine Hysterektomie, Anm.) und einen Hormonersatz verwenden wollen. Auf der einen Seite erhöhen Östrogen allein und Tibolon das Endometriumkarzinom-Risiko, auf der anderen Seite erhöhen Östrogen-Gestagen-Kombinationen die Gefährdung durch Brustkrebs."

Österreichische Fachleute kritisieren Studie

Eher auf Unglauben stießen die Ergebnisse der britischen One Million Women-Studie am Donnerstag bei österreichischen Experten. Speziell wurde das künstliche Hormon Tibolon verteidigt. In der britischen Untersuchung war ein um 79 Prozent gesteigertes Endometriumkarzinom-Risiko bei Verwendung dieses Medikaments belegt worden.

"Die 'One Million Women-Study' hat eine große Zahl von Kritikpunkten und Bias (Unausgewogenheiten, Anm.)", erklärte der Vorstand der Abteilung für Spezielle Gynäkologie am Wiener AKH, Univ.-Prof. Dr. Ernst Kubista. Im Rahmen der Untersuchung sei Tibolon besonders Frauen mit meinem erhöhten Brustkrebs- und Endometriumkarzinom-Risiko verschrieben worden. Deshalb seien in dieser Gruppe auch mehr Erkrankungen beobachtet worden.

Im Gegensatz zu anderen Untersuchungen

Der Salzburger Experte Univ.-Prof. Dr. Christian Menzel betonte, dass andere Risikofaktoren, wie zum Beispiel regelmäßiger Alkoholkonsum, allein schon die Häufigkeit von Brustkrebs um 30 bis 250 Prozent erhöhe. Bei fettreicher Ernährung könnte das Risiko gar auf das Vierfache steigen. Im Vergleich dazu sei die Hormonersatztherapie wesentlich weniger gefährlich. Die neuen Daten stünden eindeutig im Gegensatz zu anderen Untersuchungen: "So haben diese präklinischen und klinischen Studien eindeutig gezeigt, dass Tibolon das Endometrium (Gebärmutterschleimhaut, Anm.) nicht stimuliert." Univ.-Prof. Dr. Christian Egarter von der Universitäts-Frauenklinik in Wien wies darauf hin, dass man bei rund 3.000 Frauen, die das Medikament derzeit im Rahmen der Theben-Studie einnehmen, bisher kein erhöhtes Risiko für ein solches Karzinom beobachtet worden sei.

Allerdings, als die ersten Auswertungen der britischen Mammutstudie im Sommer 2003 erschienen, betonten viele österreichischen Experten, dass man die Ergebnisse dieser und anderer wissenschaftlichen Untersuchungen in renommierten Fachjournalen bis zum Beweis des Gegenteils zur Kenntnis nehmen müsse. Man könne die Resultate nicht einfach ignorieren. (APA/Red)