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Österreichs Headcoach Herbert Pöck: "Der Scheibenbesitz ist das Um und Auf."

Foto: APA/ Artinger
Standard: Wie sieht Ihre Gefühlslage vor dem ersten WM-Spiel aus? Überwiegt die Vorfreude oder die Anspannung? Herbert Pöck: Eine Mischung daraus. Natürlich freuen wir uns, freue ich mich auf die WM. Auf die ausverkaufte Halle, auf die Zuschauer, auf die Atmosphäre. Aber im Hinterkopf taucht natürlich immer wieder die Frage auf: Wie können wir bestehen, wie können wir das schaffen?

STANDARD: Österreich hält sich seit Jahren in der A-Gruppe, hat die eine oder andere Überraschung geschafft. Die Erwartungen sind hoch, wie gehen Sie damit um angesichts der schweren Auslosung mit den Gegnern Russland, Weißrussland und Slowakei?
Pöck: Ich kann nur immer wieder betonen, dass wir alles versuchen werden und gut drauf sind, dass uns aber auch die Relegation drohen kann. Und dann darf keine Katerstimmung aufkommen, weder bei den Journalisten noch bei den Fans und schon gar nicht bei den Spielern.

STANDARD: Bei der Heim-WM 1996 hat Österreich sensationell die Slowakei bezwungen, um dann abzusteigen. Ist diese WM das warnende Beispiel?
Pöck: Eine Warnung ist eher die versäumte Olympia-Qualifikation. Wir haben die meisten Tore erzielt, hatten als einziges der vier Teams ein positives Torverhältnis, und dennoch fahren nächstes Jahr die Kasachen nach Turin.

STANDARD: Die Lehre daraus?
Pöck: Wir haben nicht klug genug gespielt. Bei großen Turnieren muss man vor allem Geduld aufbringen und abwarten. Schönes Spiel ist nicht gefragt, Gewinnen ist gefragt. Man darf sich auch von den Fans nicht beeinflussen lassen und zu viel Risiko nehmen. Das Finale der Meisterschaft mit sechs Auswärtssiegen und nur einem Heimerfolg war kein Zufall.

STANDARD: Oft ist die Rede von einem "österreichischen Spielsystem". Wie würden Sie dieses System beschreiben?
Pöck: Wir dürfen nicht ungeduldig angreifen. Der Scheibenbesitz ist das Um und Auf. Die entscheidenden Szenen auf diesem Niveau entstehen im Zentrum der Eisfläche, im Mitteldrittel also. Wenn du dort die Scheibe verlierst, wird's gefährlich. Doch gewinnst du dort die Scheibe, kannst du selbst das Spiel beschleunigen und Chancen kreieren. Wichtig sind das Powerplay und die Unterzahl, ist also auch die Disziplin.

STANDARD: Wo liegen Stärken, wo Schwächen des Teams?
Pöck: Wir haben große Talente. Viele Spieler sind jung und haben dennoch schon in starken Ligen Erfahrung gesammelt. Einige haben sich in Österreich gut entwickelt. Unser Manko ist, dass wir selten mehr als drei, vier Tore schießen. Spiele, in denen wir mehr als drei Tore kassieren, können wir kaum gewinnen.

STANDARD: Wie viel Kopfzerbrechen bereitet das Fehlen etlicher Stammspieler? Wie sehr schmerzt die Tatsache, dass nach den Ausfällen von Reinhard Divis und Claus Dalpiaz kein einziger Goalie mit WM-Erfahrung zur Verfügung steht?
Pöck: Natürlich kann man einen Vanek, einen Brandner und einen Divis nicht ersetzen. Aber ich kann's eh nicht ändern, so gesehen beschäftigt mich das nicht. Und natürlich wissen wir, dass ein Goalie allein fast ein Spiel gewinnen kann. Aber ich hab zu den drei Torhütern, die im Kader sind, volles Vertrauen. Wahrscheinlich werden wir die Arbeit aufteilen und nicht einem einzigen Goalie die ganze WM-Belastung zumuten. Das ist Teil meiner Aufgabe, mir zu überlegen, welcher Goalie mit welchem Gegner die wenigsten Probleme haben kann.

STANDARD: Kann das Team von der starken Liga profitieren, oder geben nach wie vor Legionäre in der Liga den Ton an?
Pöck: In den zweiten Blöcken wurden schon viele Österreicher eingesetzt, die Verantwortung übernehmen mussten. Mir hat vor allem getaugt, dass man in der Liga nie verschnaufen konnte. Viele Spiele waren eng, jeder Schuss, jeder Check konnte entscheiden, das ist bei der WM nicht anders. Großes Minus der Liga ist, dass bei den meisten Klubs ein Legionär im Tor steht.

STANDARD: Wie würden Sie die Vorrundengegner Österreichs kurz beschreiben - Russland?
Pöck: Immer noch eine Macht. Starkes Kollektiv, ausgezeichnete Solisten. Sie haben zuletzt nicht viel erreicht, wollen unbedingt gewinnen.

STANDARD: Weißrussland?
Pöck: Gut im Powerplay, gutes Kombinationsspiel. In unserer Reichweite, das wird wohl das entscheidende Spiel.

STANDARD: Die Slowakei?
Pöck: Schätze ich fast am stärksten ein. Ein fixer Medaillenanwärter. Die Slowaken sind vor allem offensiv sensationell besetzt, ihr Angriff ist ein Traum. (DER STANDARD, Printausgabe, Freitag, 29. April 2005, Fritz Neumann)

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