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Alles dreht sich um das kleine Weiße.

Foto: APA/EPA/Fisker
Shanghai - Die internationale Tischtenniselite taucht ab Samstag in eine ganz besondere Welt ein. Tischtennis in China ist schon an sich etwas ganz Spezielles, eine WM im "Reich der Mitte" kommt hingegen gleich nach Olympia 2008 in Peking. Die Begeisterung der Massen für den Sport mit dem kleinen Zelluloidball und dessen Protagonisten ist eine in Europa nicht vorstellbare und wird es den Spielern schwer machen, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren.

"Die größte Talenteschmiede des Landes"

Dass die WM in Shanghai stattfindet, verstärkt die Begeisterung der Fans noch einmal. Die boomende Metropole ist die größte Talenteschmiede des Landes und brachte schon viele Weltmeister hervor. Aktuellstes Beispiel ist Wang Liqin, bei den nunmehrigen 48. Titelkämpfen topgesetzt und bereits 2001 in Osaka Einzel-Weltmeister. Diesmal könnte es im Semifinale zum großen Duell mit Werner Schlager kommen, womit der Kulminationspunkt der Hysterie wohl erreicht wäre.

ÖTTV-Herren-Bundestrainer Ferenc Karsai kennt diese Hysterie, hat sie schon mehrmals erlebt. "Die Leute stehen schon um vier, fünf Uhr in der Früh vor den Hotels und warten auf Autogramme - oft drei, vier Stunden lang. Und wenn sich einer eine Karte für einen Spieltag gekauft hat, ist er ganz stolz, zeigt sie überall her." Dabei sind diese Tickets für chinesische Verhältnisse alles andere als billig, Abos sind für umgerechnet 52 bis 322 Euro zu haben.

Kein Ticket mehr erhältlich

Dennoch ist das Gymnasium von Shanghai, der rund 15.000 Zuschauer fassende Spielort, seit mehr als einem Monat an allen sieben Spieltagen ausverkauft. Dazu passen die Bemühungen der Politiker, Shanghai zur WM-Zeit sehenswert zu machen. ÖTTV-Haudegen Ding Yi: "Alles wurde auf Hochglanz gebracht, Grünanlagen angelegt."

Auch Liu Jia ist sich bewusst, dass die WM kein Turnier wie jedes andere wird. Die Europameisterin weiß genau, warum das Tischtennis in ihrem Geburtsland eine solche Popularität genießt: "Jedes Kind spielt schon in der Schule, auch in Jugend-Zentren. Von dort kann man es bei entsprechenden Leistungen zu Staatsmeisterschaften schaffen und weiter ins Nationalteam. Hat man das erreicht, kann man vom Tischtennis auch super leben."

Ungeheurer Druck

Freilich unterliegt man als chinesischer Teamspieler auch einem ungeheuren Druck. Damen und Herren sind seit zwei Monaten kaserniert und werden auf Erfolg gedrillt. Chen Weixing hatte im März eine Ausnahmegenehmigung, war im Herren-Camp an der Küste vor Taiwan zehn Tage lang Trainingsgast. "Sie machen von früh bis spät nichts anderes als für Tischtennis zu leben", weiß der seit Mittwoch 33-Jährige zu erzählen.

Die Anspannung bei der WM wird deswegen natürlich nicht geringer, die Fans erwarten von ihren Idolen bei den Heim-Titelkämpfen fünf Mal Gold. Besonders im Herren-Einzel liegt die Priorität darauf, den Titel nach den Niederlagen bei der WM 2003 und bei Olympia 2004 wieder zurückzuholen. Sollte es auch diesmal nicht klappen, wäre es wohl eine größere Katastrophe als für die Brasilianer eine Schlappe ihres Nationalteams bei der Fußball-WM.(APA)