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Foto: AP/CHRISTOPHE ENA
Im Gegensatz zu den Technik-Euphorikern, die am Mittwoch mit glänzenden Augen zusahen, wie das größte Passagierflugzeug der Welt zum Jungfernflug abhob, scheint der Mann, der den Flug des 421 Tonnen schweren Kolosses Airbus A380 als Kapitän leitete, ein durchaus gelassener Mensch zu sein.

"Wir steuern eine vierstrahlige Maschine, Punkt", kommentierte vor dem Start Claude Lelaie, 59 Jahre alt und Leiter der Testflugabteilung bei Airbus. Ausdrücklich wies er darauf hin, dass "dies ein Moment ist, den es zu entdramatisieren gilt".

Dazu gehört wohl auch, dass er den Ruhm auf alle sechs Mann der Crew verteilt wissen will. Sein Kollege Jaques Rossay übernahm den Start, und Lelaie ließ keinen Zweifel daran, dass der Erfolg von jedem im Team abhänge.

Erfahrung hat Lelaie ja genug: Der im französischen Châteauroux Geborene erwarb schon mit 17 Jahren einen Privatflugschein, mit 23 wurde er zum Luftwaffenpiloten. Er legte auch an der Eliteschule Ecole Polytechnique ein Ingenieursdiplom ab und verbrachte beim französischen Militär etliche Jahre als Flugversuchsingenieur.

Beim Unternehmen Microturbo beteiligte er sich in den 80er-Jahren an der Entwicklung eines zweistrahligen Leichtflugzeugs. Erst 1988 absolvierte Lelaie an der Empire Test Pilot School im englischen Boscombe Down eine Ausbildung als Testpilot.

Seither ist er bei Airbus unter Vertrag. Seine ausgezeichneten Kenntnisse der Aerodynamik nutzt Lelaie auch als Kunstflugpilot - zum Beispiel bei der Staffel "Les Porthos".

Wenn er nach der Zahl seiner bisherigen Flugstunden gefragt wird, antwortet er schlicht: 14.000; dass er diese Leistung auf 200 verschiedenen Flugzeugtypen absolviert hat, davon mehr als die Hälfte als Testpilot, sagt er nicht gleich dazu.

Der einzige heikle Punkt in seiner Karriere bei Airbus ergab sich, als 1994 beim Test der automatischen Steuerung ein A330-Langstrecken-Jet abstürzte und alle sieben Mitglieder der Besatzung ums Leben kamen. Zusammen mit zwei Airbus-Direktoren musste sich Lelaie vor einem Gericht wegen des Vorwurfs der fahrlässigen Tötung verantworten.

Letztlich aber wurden alle freigesprochen. Bis heute ist dem Testpiloten juristisch nichts Gefährliches mehr untergekommen, der Jungfernflug mit dem neuen Riesen-Airbus ist die Krönung seiner Karriere.

"Dieser erste Flug ist ein richtiger Meilenstein", sagte Lelaie unmittelbar nach der Landung mit dem A380. "Wir haben jede Minute davon genossen."

Erfährt man die Freizeitvergnügungen des beruflich gefährlich lebenden Ehemanns und Vaters zweier Töchter, traut man ihm Genuss ohne Zweifel zu: Monsieur Lelaie liebt die Oper. (Klaus-Peter Schmidt, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 28.04.2005)