Diskurs
Stimmversagen
Wenn die Verdrängung ausbleibt - von RAU
Das hat man bei ihm noch
nicht erlebt. Bundeskanzler
Schüssel versagte die Stimme und er bekam feuchte
Augen. Es war auch hart,
was er ausgerechnet beim
Staatsakt anlässlich der
Auferstehung Österreichs
aus dem Zusammenbruch des Nazi-Regimes sagen
musste: Für Leute,
die Gaskammern
relativieren, sei kein Platz
"in unserer Institutionenlandschaft". Aber was hat da
Schüssel da aus dem Gleichgewicht geworfen? Der FPÖ-
Politiker Gudenus hat schon
vor zehn Jahren die Gaskammern relativiert. In
Deutschland wären solche
Leute in einer Nanosekunde
weg. Bei uns bleiben sie in
der "Institutionenlandschaft". Vor Schüssel im Redoutensaal saß Jörg Haider,
der Ruhmredner der Waffen-SS, großteils eine uniformierte Mörderbande.
Und weiter hinten im Redoutensaal saß der frühere
FPÖ-, nunmehrige BZÖ-
Bundesrat Kampl,
der sich als Opfer
einer "brutalen
Nazi-Verfolgung"
nach 1945 fühlte
und dies beim Hinausgehen
aus dem Saal noch lautstark
bekräftigte. Diese Leute schickt die
FPÖ/BZÖ in unsere "Institutionenlandschaft". Der Bundeskanzler hat all das geahnt, er hat es gewusst, er
hat es verdrängt. Aber gerade an diesem Tag des Feierns ging das nicht mehr. Da
versagte ihm die Stimme. (DER STANDARD, Print, 28.4.2005)