Erika Fuchs, die von den Fans geliebte "Füchsin" verwandelte die Micky Maus in deutsche Literatur.

Foto: Gottfried Hellnwein
Erika Fuchs war die große und lange Zeit die einzige Übersetzerin der Disney-Comics. Sie war das Beste, was den Micky-Maus-Heften passieren konnte - und der Nachkriegsgeneration ebenso, die sie für ihre differenzierte Sprachkunst liebte. Am Freitag starb Erika Fuchs 98-jährig in München.


Entenhausen/München - Eines wollte Erika Fuchs nie werden: alt; auf die Weise alt, dass man nur mehr nach rückwärts blickt und "Wagner im Ohr hat" wie ihre Mutter. Sie hörte lieber der Gegenwart zu, fuhr Straßenbahn statt Auto, um unter Leuten zu sein, vor allem unter Kindern, und zu spüren, wie sich das veränderte, was sie so liebte: die Sprache. So blieb sie jung und mit ihr die Sprachleistung, die sie vollbrachte und für die sie spät, aber dann umso nachhaltiger gerühmt wurde.

Erika Fuchs war die große und lange Zeit die einzige Übersetzerin der Disney-Comics. Sie war das Beste, was den Micky-Maus-Heften passieren konnte - und der Nachkriegsgeneration ebenso. Denn wenn den amerikanischen Geschichten aus dem Hause Walt Disney, insbesondere den interessanteren über die Familie Duck, etwas fehlte, dann war es eine kongeniale Sprache. Und wenn es der deutschsprachigen Kinder-und Jugendlichenkultur jener Jahre an etwas mangelte, dann waren es antiautoritäre, nicht restaurative Identifikationsmodelle, die Spaß machten und deren Vielschichtigkeit im Ausdruck in späteren Jahren zusätzliches Vergnügen bereitete - was sich in Heerscharen erwachsener Fans niederschlug.

Die von ihnen geschätzte "Füchsin" hat wahrscheinlich mehr für ihre Sprachkultur geleistet als viele hoch dekorierte PEN-Mitglieder. Darum war es zwar verständlich, dass auch sie immer wieder für Auszeichnungen vorgeschlagen wurde - Elfriede Jelinek etwa wünschte ihr den Büchner-Preis. Aber es war ebenso folgerichtig, dass ihr bis ins hohe Alter kaum eine Ehrung von offizieller Stelle zuteil wurde. Ein Lob den Sprechblasen? Huch! Spät erst besann sich zum Beispiel ihre Wahlheimatstadt München der Dame oder lobten auch Politiker die Empfängerin der "Morenhovener Lupe 1994".

1906 im hinterpommerschen Rostock als Erika Petri geboren, wuchs sie in wohlhabenden Verhältnissen im nahe gelegenen Belgard an der Persante (heute in Polen) auf. Sie war 1920 das erste Mädchen am höheren Knabengymnasium, maturierte und studierte Kunstgeschichte in Lausanne, München und London (Promotion summa cum laude). 1932 heiratete sie den Unternehmer und Erfinder Günter Fuchs - später Ratgeber in vielen Daniel Düsentrieb'schen Details - und zog zu ihm nach Schwarzenbach in Franken.

Im Dritten Reich überwinterte sie in der Provinz, zog zwei Söhne groß und war froh über die ersten britischen Soldaten, die ihren Ort erreichten. Zu ihrer Übersetzertätigkeit kam sie eher zufällig, blieb aber ab dem ersten Heft der Micky Maus im September 1951 fix dabei ("wenn schon, dann soll das ordentlich gemacht werden", hatte ihr Mann geraten) und übersetzte bis in die Siebziger praktisch alles, was Disney auf Deutsch herausbrachte.

Erika Fuchs' Leistung geht weit über die bekannten Sprachmalereien à la Ächz! und Grübel! hinaus. Sie bestand vor allem darin, den durchschnittlich umgangssprachlichen Jargon des Originals in einen sozial und stilistisch differenzierten, im Zweifelsfall auch witzigeren Kosmos zu übertragen, dabei auf einen liberalen, antimilitärischen und nicht autoritären Grundton zu achten - und Amerikanismen wie Halloween oder den Thanksgiving-Truthahn einzudeutschen.

"Werd nicht poetisch"

Nur ein kleines Beispiel aus der persönlichen Favoriten-Kiste: Wenn die Beagle-Boys sich im Original über einen brechenden Damm mit den Worten freuen: "Wie ferner Donner" - "Oder Feuerwerk am 4. Juli", sagt im Deutschen ein "Panzerknacker" (natürlich auch eine Fuchs'sche Schöpfung) zum anderen: "Hört sich an wie fernes Donnergrollen" und bekommt zur Antwort: "Werd nicht poetisch, Ede, die Pinke kommt." Für derlei liebten sie - natürlich zunächst unbekannterweise, denn sie wurde nur im klein gedruckten Impressum geführt - die Leser. Sie hielten ihr die Treue bis heute, wo sie in Chefetagen sitzen und in Werbeagenturen, in Literaturen (das ihr 2001 einen Titel widmete) und im FAZ-Feuilleton, das seine Titel und Bildunterschriften regelmäßig mit Fuchs-Zitaten anreichert.

Organisiert frönen sie ihr im deutschen Donaldisten-Verein, der auch die einzige Begegnung zwischen Fuchs und dem großen Duck-Zeichner Carl Barks arrangiert hat, in dem Häuschen bei Nymphenburg, wo seit dem Tod ihres Mannes 1984 lebte. Die Sekundärliteratur über sie wächst beständig, das Erika Fuchs Buch von Klaus Bohn zählte schon vor sieben Jahren fast 100 Veröffentlichungen. Eine Wahrsagerin hatte ihr vor langer Zeit prophezeit, sie würde 97 Jahre alt werden. Wenn sie davon erzählte, dann klang sie skeptisch, abgeklärt und selbstironisch. So wie sie einmal einen Fan, der einen Film über sie drehen wollte, fragte, ob er sich nicht lieber eine junge Dame vornehmen wollte: "Ich könnte Ihnen ja unter der Hand wegsterben." Das war vor einem Vierteljahrhundert. Am vergangenen Freitag, im 99. Lebensjahr, ist Erika Fuchs, wie nun erst bekannt wurde, gestorben. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 26.4.2005)