Bild nicht mehr verfügbar.

Foto: EPA/MARTA MYSKOVA
Prag - Bis vor kurzem galt Stanislav Gross als ein Politiker, der eine vielversprechende Karriere vor sich hat. Mehrere Jahre rangierte er klar an der Spitze der Beliebtheitsskala. Nun ist der politische Stern des jüngsten Regierungschefs in der EU untergegangen. Am Montag trat er zurück. Dass der 35-jährige "es ehrlich meinte" - so seine Parole bei den Regional- und Senatswahlen im November 2004 - und vielleicht noch ehrlich meint, half ihm da nur wenig.

Bei diesen Wahlen erlitten seine Sozialdemokraten (CSSD) ein schweres Debakel. Und nur wenige Monate nach der Übernahme des CSSD-Vorsitzes und des Amts als Premier stolperte der junge Mann mit dem bubenhaften Gesicht über eine private Affäre. Seit Monaten sorgten seine Wohnungsaffäre und die unternehmerischen Aktivitäten seiner Ehefrau, Sarka Grossova, für Schlagzeilen in den tschechischen Medien.

Bis heute konnte Gross die Zweifel an der Herkunft eines Teils des Geldes für seine Prager Luxuswohnung nicht glaubhaft zerstreuen. Mit Fragezeichen ist auch der Millionen-Kredit versehen, mit dem Grossova bzw. ihre Firma 2004 ein Haus kaufte. Für die Geldleihe haftete eine umstrittene Unternehmerin aus dem Rotlicht-Milieu, gegen die strafrechtlich ermittelt wird.

Der studierte Jurist Gross begann seine politische Karriere unmittelbar nach dem Fall des Kommunismus 1989, indem er Mitglied der neu entstehenden Sozialdemokratischen Partei wurde. Damals arbeitete er als Eisenbahner mit Maturazeugnis. Seitdem kletterte er in der Parteihierarchie als Parlamentsabgeordneter, Chef des CSSD-Klubs im Unterhaus, Vizechef des Abgeordnetenhauses, Innenminister bis zur seiner bisherigen Position als Regierungschef empor.

Die neunziger Jahre nutzte Gross intensiv für seine Weiterbildung und 1999 schloss er sein Jus-Studium an der Prager Karls Universität ab. Dabei wurde er mit Medien-Vorwürfen konfrontiert, sich seinen Abschluss vereinfacht zu haben. Die Diplomarbeit habe nur 33 Seiten gehabt und - wie die Zeitung "Mlada fronta Dnes" schrieb, "ähnelte die Diplomarbeit auffallend den Berichten der Tschechischen Nationalbank, die Gross als Politiker auf den Tisch bekam". Gross ließ sich aber nicht abschrecken, 2004 erhielt er auch den Titel (JUDr.).

Gross ist seit 1996 zum zweiten Mal verheiratet. Seine jetzige Ehefrau Sarka, mit der er zwei Töchter hat, lernte er als Mitarbeiterin des Parlaments-Restaurants kennen. Sein Trauzeuge war der frühere CSSD- und Regierungschef Milos Zeman, der damals in Gross seinen "Kronprinzen" sah. Später forderte der Pensionist und das einfache CSSD-Mitglied Zeman den Rücktritt von Gross - auch wegen der Wohnungsaffäre. "Die Affäre erinnert mich an Watergate. Ich nenne sie Grossgate. Wie bekannt, hat auch Nixon lange geleugnet", sagte Zeman vor einiger Zeit gegenüber der Tageszeitung "Lidove noviny".

Lange Zeit blieb Gross trotz lauter Rücktrittsaufforderungen standhaft. Er denke nicht daran, zurückzutreten, sagte er gebetsmühlenartig. Doch nachdem der CSSD-Parteitag Ende März Gross als Parteivorsitzenden bestätigte, verließ der christdemokratische Koalitionspartner die Regierung. Und als Gross danach mit dem Gedanken an eine eventuelle Zusammenarbeit mit den Kommunisten liebäugelte, wurde es Staatschef Vaclav Klaus zu bunt. Mehrere Minister traten aus dem Kabinett aus. Andere kündigten ihren Rücktritt an, sollte die Regierung tatsächlich auf die Kommunisten angewiesen sein. Im April gab Gross dann nach. (APA)