Ein Präsident auf Lebenszeit: Saparmurat Nijasow

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Ashgabad/Wien - Am Ende eines Besuchstages in einem der abgeschlossensten Regime der Welt verließ Dimitri Rupel dann doch die Geduld. Brüsk unterbrach er seine Pressekonferenz in einem Hotel der turkmenischen Hauptstadt Ashgabad und ließ eine Dolmetscherin austauschen.

Die Übersetzer im Dienst von Turkmenistans Präsidenten auf Lebenszeit, Saparmurat Nijasow, hatten im Lauf des Tages bereits mehrfach die Äußerungen des OSZE-Ratsvorsitzenden und slowenischen Außenministers an die Erfordernisse des Landes "angepasst": Aus Rupels "interessantem" Gespräch mit Nijasow wurde in der russischen Form ein "gutes Gespräch", der unschöne Begriff "Demokratie" erhielt mitunter die Umschreibung "Staat"; Turkmenistan sei eines der wichtigsten Länder in der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit, gab die Dolmetscherin schließlich bekannt - Rupel hatte höflich von einem "sehr wichtigen Land" gesprochen, das in der 55-Staaten-Gemeinschaft vielleicht seine beste Chance habe, um gehört zu werden.

Der Vorfall mit den Übersetzungen mochte zeigen, wie weit die Indoktrinierung in der früheren Sowjetrepublik fortgeschritten ist, in der wenig geschieht, was nicht die erklärte Zustimmung des "Vaters aller Turkmenen", des Turkmenbaschi Nijasow, hat.

Er werde bei den für 2009 angesetzten Präsidentschaftswahlen nicht mehr antreten, versicherte der turkmenische Staatschef dieser Tage dem OSZE-Ratsvorsitzenden während eines eineinhalb Stunden dauernden, offenkundig stürmisch verlaufenen Gesprächs in Ashgabad. Sogar mehrere Kandidaten würden zur Wahl stehen.

Es war Nijasows Reaktion auf den Volksaufstand in Kirgistan, der Ende März einen anderen Autokraten in Zentralasien zu Fall gebracht hatte, und bedeutete in Wahrheit doch nicht viel. Der 65-jährige frühere kommunistische Parteisekretär steht unter anderem auch auf Lebenszeit der Versammlung des Volksrates (Halk Maslahati) vor, einem 2504 Mitglieder großen Gesetzgebungsorgan, das Nijasow über das ohnehin bedeutungslose Parlament stellte. Sollte es in vier Jahren tatsächlich zur Wahl eines neuen Staatschefs kommen, behält Nijasow ohne jeden Zweifel die Fäden in der Hand.

Von allen fünf zentralasiatischen Staaten kann Turkmenistan mit der finstersten Geschichte der Nationenwerdung nach dem Ende der Sowjetunion aufwarten. 1,1 Milliarden Tonnen Rohöl, 2,7 Billionen Kubikmeter an gesicherten und 14 weitere Billionen an wahrscheinlichen Erdgasvorräten haben es möglich gemacht, dass das Land am Kaspischen Meer bemerkenswerte Nachsicht durch den Westen genießt.

Pipelinepläne Russland und die Ukraine sind die Hauptabnehmer der turkmenischen Erdgasvorkommen, die Nijasow unter Weltmarktpreis verkauft. Aus ebendiesem Grund ist Turkmenistan für die USA interessant: Das russische Monopol bei der Rohstoffförderung in Zentralasien ließe sich brechen, gelänge US-Konzernen der Einstieg in Turkmenistan durch eine Pipeline, die über Afghanistan und Pakistan in das Arabische Meer mündet.

Nach dem Attentatsversuch eines usbekischen Oppositionellen im November 2002 leitet Nijasow nun, gewarnt durch den Aufstand in Kirgistan, eine neue Runde repressiver Maßnahmen ein. Mitte April ließ er die Lizenz ausländischer Postzusteller streichen; internationale Zeitungen oder Internetcafés sucht man in Ashgabat vergeblich.

"Das Volk leidet", heißt es in einem E-Mail, das westliche Diplomaten jüngst erhielten und das aus glaubwürdiger Quelle stammen könnte: "Turkmenistan ist jetzt an einem Punkt angelangt, an dem es überhaupt keinen Informationsfluss aus der Außenwelt gibt." Nijasow lässt dafür an Schulen und im Fernsehen seine eigene Wahrheit lehren - "Ruhnama", sein mythologisches Buch über Turkmenistan, sei "jedem Lebensbereich aufgezwungen worden". (DER STANDARD, Markus Bernath, Printausgabe, 25.4.2005)