Wien - Der Verbund-Vorstand erklärt die "Österreichische Stromlösung" (ÖSL) in ihrer geplanten Form für tot. Auf Basis der Ergebnisse eines neuen Gutachtens von Booz Allen Hamilton sehe sich der Vorstand "in seiner aktienrechtlichen Verantwortung gegenüber allen Aktionären außerstande, die ÖSL-Verträge mit der EnergieAllianz abzuschließen", teilte das Unternehmen am Freitagachmittag mit.

Den für die Austro-Stromehe geplanten Partnern der EnergieAllianz (EVN, Wienstrom, Bewag, Energie AG Oberösterreich und Linz AG) werde man am 28. April Vorstellungen über "Alternativen zur Stromlösung" präsentieren, die geprüft würden.

Dem Modell einer österreichischen Strom-Partnerschaft mit klaren und schlanken Strukturen sei man weiterhin aufgeschlossen, hieß es. Dabei gehe es um eine wettbewerbstaugliche Lösung, die auch dem Verbund die erhofften Synergien bringe.

"Synergien zweifelhaft"

Zur Begründung, die "Österreichische Stromlösung" (ÖSL) in der bisher geplanten Form für "tot" zu erklären, verwies der Verbund am Freitagnachmittag auf "die wesentlich geänderten Rahmenbedingungen am europäischen und österreichischen Strommarkt sowie die kritische Beurteilung der Entwicklung des Wettbewerbs am heimischen Strommarkt durch Bundeswettbewerbsbehörde und E-Control", wodurch die Realisierung der Austro-Stromehe "zum jetzigen Verhandlungsstand unmöglich" würde.

Dies bescheinige auch das jetzt vorliegende Gutachten der Beratergruppe Booz Allen Hamilton zu "Chancen und Risiken der Österreichischen Stromlösung aus heutiger Sicht". Die Expertise sollte die Synergiepotenziale der "ÖSL" für den Verbund zu prüfen. Diese waren zu Beginn der Verhandlungen vor mehr als drei Jahren für Verbund und EnergieAllianz mit jeweils rund 40 Mio. Euro im Jahr, also zusammen etwa 80 Mio. Euro, angenommen worden.

Auf Drängen von Wirtschaftsminister Martin Bartenstein (V) hatte der Verbund-Vorstand die im Herbst 2004 bereits sistierten Verhandlungen mit den EnergieAllianz-Partnern wieder aufgenommen - mit dem Ziel, eine nachhaltige Absicherung der Synergien unter den geänderten Rahmenbedingungen zu erreichen, wie auch jetzt betont wird.

"Erhebliche Risiken"

Das Urteil der Energieexperten von Booz Allen Hamilton sei jedoch eindeutig, so der Verbund: "Zusammenfassend ist festzuhalten, dass das begrenzte Synergiepotenzial keinen Zusammenschluss, wie in der ÖSL angestrebt, rechtfertigt". Insgesamt konstatiere die Studie erhebliche Risiken, denen nur sehr geringe Chancenpotenziale gegenüberstünden.

Bei den Vorstellungen über Alternativen zur ÖSL würden für den Verbund jedenfalls die Empfehlungen der Wettbewerbsbehörde zur Wiederbelebung des österreichischen Elektrizitätsmarktes sowie der betriebswirtschaftliche Nutzen für den Verbund "eine entscheidende Rolle spielen".

Seinen Strom aus heimischer Wasserkraft werde der Verbund jedenfalls, sei es in einer neuen österreichischen Strom-Partnerschaft oder alleine, allen heimischen Verbrauchern zu attraktiven Bedingungen zur Verfügung stellen.

EnergieAllianz: "Synergien nach wie vor vorhanden"

Die EnergieAllianz möchte die "Österreichische Stromlösung" (ÖSL) mit dem Verbund aber weiter realisieren und pocht dabei auch auf Teilfusionen. Die - vom Verbund nun in Zweifel gestellten - Synergien seien nach wie vor im angestrebten Umfang vorhanden, wie durch ein aktuelles, unabhängiges Gutachten des Beratungsunternehmens Roland Berger bestätigt werde, hieß es am Freitagnachmittag aus der EnergieAllianz von EVN, Wienstrom, Bewag, Energie AG Oberösterreich und Linz AG. Synergiepotenziale würden sich nur durch einen Zusammenschluss von Gesellschaften erzielen lassen. Und das sei nur bei der ausverhandelten und von der Brüsseler Wettbewerbsbehörde bereits genehmigten "ÖSL" der Fall.

Im Rahmen der Austro-Stromehe würden die Handelsgesellschaften der beiden Partner zusammengeführt, an die sämtliche Kraftwerke von Verbund und EnergieAllianz ihre Energie liefern. Ohne die "ÖSL" bestehe die Gefahr eines Ausverkaufs der österreichischen Stromunternehmen an ausländische Konzerne, warnt die EnergieAllianz.

Die Entscheidung über die Zukunftsfrage für Österreich liege bei den Eigentümern von Verbundgesellschaft und EnergieAllianz, die auch den Auftrag zur Bildung der "ÖSL" aus guten Gründen erteilt hätten.

Bartenstein: Vorstände sollen gute Lösung fertig verhandeln

Wirtschaftsminister Martin Bartenstein (V) ruft die Vorstände der an der geplanten Austro-Stromehe beteiligten Firmen auf, eine "Österreichische Stromlösung", die dem Wettbewerb Rechnung trägt und Synergien bietet, "bis zum Sommer engagiert fertig zu verhandeln", hieß es Freitagnachmittag - nach der Aufkündigung der ÖSL durch den Verbund - in einer Aussendung des Ressorts. Die vorliegenden Gutachten, die zu unterschiedlichen Interpretationen gekommen sind, werde man selbst von der Beratungsfirma PricewaterhouseCoopers prüfen lassen, heißt es weiter. Der Minister selbst weilt in China und ist derzeit unerreichbar.

SP-Moser warnt vor weiterem Ausverkauf der Energiewirtschaft

SPÖ-Wirtschaftssprecher Johann Moser gibt Bartenstein die Schuld am Scheitern der ÖSL. Der Minister sei einfach nicht Herr der Lage, die gesamte Regierung bringe am Energiesektor nichts zusammen. Moser warnte in einer Aussendung vor einem weiteren Ausverkauf der heimischen Energiewirtschaft. Für den Standort bedeute das Scheitern der "ÖSL" ein erhöhtes Maß an Unsicherheit, so Moser in einer Aussendung. (APA)