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Deutscher bei der Übertragung der ersten Messe von Benedikt XVI. auf dem Petersplatz: Der Jubel für den neuen Papst unterscheidet sich wenig von der Stimmung der Fußballfans.

Foto: dpa/Oliver Berg
Die katholischen Christen haben einen neuen Papst. Wie man als ökumenisch gesinnter evangelischer Christ mit ihnen um den verstorbenen Papst getrauert hat, so darf man sich nun mit ihnen freuen und dem neuen Bischof von Rom Gottes für sein verantwortungsvolles Amt Gottes Segen wünschen. Der Medienhype der seit der Neuerfindung des Papsttums durch Karol Woityla um sich greift, bleibt allerdings befremdlich.

Dass die römisch-katholische Kirche besonders medientauglich ist, hat sie in den letzten Wochen eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Aber sie entwickelt sich eben immer mehr zur virtuellen Fernsehkirche, während an der Basis drückender Priestermangel herrscht und enttäuschte Gläubige ihrer Kirche scharenweise den Rücken kehren.

Die "Papamania" als Zeichen einer neu erwachten Spiritualität, gar eines "Megatrends Religion", zu deuten, ist kühn. Der Jubel und die großen Emotionen, mit denen der neue Papst ebenso begrüßt wie der alte verabschiedet wurden, unterscheiden sich kaum von der Stimmung in einem Fußballstadion.

Rom und Fußballkrimi

Insofern war es passend, dass im deutschen Fernsehen unmittelbar nach einer Sondersendung zur Papstwahl das DFB-Halbfinale zwischen Schalke 04 und Werder Bremen übertragen wurde. Die Geräuschkulissen gingen nahtlos ineinander über. Und wie zuvor Vatikanexperten live über den Ausgang der Papstwahl fachsimpelten, diskutierten anschließend Fußballexperten über den Ausgang des wahrlich spannenden Matches. Was das alles mit der Botschaft Jesu und mit Gott zu tun haben soll, bleibt mir schleierhaft.

Es ist doch sehr die Frage, ob sportliche Massenevents eine Form von religiöser Sinnsuche sind, oder ob nicht vielmehr das wochenlangen römische Medienspektakel auf eine zunehmende Sinnentleerung des Christentums in der Postmoderne hindeutet. Die christliche Botschaft, um die es Johannes Paul II. und seinem Nachfolger zweifellos ging und geht, droht vom Personenkult völlig überlagert zu werden.

Ökumene-Hindernis

Christen aus anderen Kirchen werden anerkennen, dass das Papstamt im Vergleich zum Mittelalter und zur Reformationszeit eine neue, glaubwürdigere Gestalt angenommen hat. Doch wie Johannes Paul II. selbst schrieb, ist und bleibt das Papstamt das größte Hindernis auf dem Weg zur Ökumene. Dabei spielt es gar keine Rolle, wer dieses Amt innehat und wie er es ausübt. Die Versuche katholischer Theologen, das Papstamt zur zeitgemäßen Antwort auf Globalisierung und Mediengesellschaft umzudeuten, gehen am Kern des Problems vorbei.

Der "Petrusdienst", von dem die katholische Kirche spricht, ist biblisch nicht begründet. Er widerspricht dem Neuen Testament. Die Machtfülle, mit der dieses Amt in der katholischen Kirche ausgestattet ist, stammt nicht von Gott, sondern ist Menschenwerk, und die Leichtfertigkeit, mit der Journalisten den Papst als Stellvertreter Christi auf Erden und Nachfolger Petri bezeichnen, ist, gelinde gesagt, eine Gedankenlosigkeit.

Unbemerkter Streit

Der neue Papst Benedikt XVI., bis vorgestern noch Leiter der römischen Glaubenskongregation, trägt die Hauptverantwortung für das Dokument Dominus Iesus aus dem Jahr 2000, in dem einmal mehr den evangelischen Kirchen ihr Kirchesein abgesprochen wurde. Natürlich bemühte sich die katholische Seite damals rasch, vermeintliche "Missverständnisse" auszuräumen. Aber das blieb reine Kosmetik.

Momentan tobt, von der österreichischen Öffentlichkeit weit gehend unbemerkt, ein heftiger Streit zwischen Rom und den reformatorischen Kirchen um das kirchliche Amtsverständnis, der für die Zukunft der Ökumene nichts Gutes erwarten lässt.

Von einer Annäherung in der Abendmahlsfrage sind die Kirchen weit entfernt. Für ökumenische Euphorie besteht daher kein Anlass. (DER STANDARD, Printausgabe, 22.4.2005)