Grafik: Aufbau des österreichischen Schulsystema, Positionen Zukunftskommission und Bildungsministerin Gehrer

Mit einem Richtungswechsel in der Frage der Zweidrittelmehrheit für Schulgesetze kommt Bildungsministerin Elisabeth Gehrer (VP) einerseits der Kirche entgegen und stößt andererseits die SPÖ vor den Kopf.

Die Zweidrittelerfordernis soll nun doch nicht - wie in einer Regierungsvorlage vorgesehen - ersatzlos abgeschafft werden. Vielmehr will Gehrer gleichzeitig die von Kardinal Christoph Schönborn und der SPÖ geforderten Punkte Schulgeldfreiheit, öffentliches Schulsystem, Schulpflicht und Konkordat in der Verfassung verankern. Als Bedingung dafür will Gehrer auch das gegliederte Schulsystem in die Verfassung schreiben. So würde die Einführung der Gesamtschule ohne Zustimmung der ÖVP unmöglich.

Die SPÖ reagierte erbost. Gehrer betreibe "reine Klientelpolitik", offensichtlich habe die ÖVP "der Mut zu dringend notwendigen Reformen verlassen", meinte SP-Wissenschaftssprecher Josef Broukal. Grünen-Chef Alexander Van der Bellen kritisierte beide Parteien und sprach von "SPÖ-ÖVP-Blockadetaktik".

Abschaffung der Zweidrittelmehrheit für Schulfragen unter einer Bedingung lautet die neue Linie von Bildungsministerin Elisabeth Gehrer (VP). Das gegliederte Schulsystem (also das jetzige mit Gymnasien) soll in Verfassungsrang gehievt werden. Gehrer kommt damit den Wünschen der katholischen Kirche in Person von Kardinal Christoph Schönborn so weit entgegen, dass sie auch gleich vier Bedingungen, die dieser mit der SPÖ formuliert hat, erfüllen würde: Nämlich Schulgeldfreiheit, öffentliches Schulsystem, Schulpflicht und Konkordat in der Verfassung zu verankern.

Das würde die Einführung der Gesamtschule ohne Zustimmung der ÖVP unmöglich machen. Gehrer meinte, die SPÖ müsse zur Kenntnis nehmen, dass auch die ÖVP ein gewisses Klientel habe. Bisher wollte die ÖVP etwaige Ausnahmen im Zuge einer neuen Verfassung diskutieren.

"Ganz offensichtlich hat die ÖVP der Mut zu Reformen verlassen", kritisierte SP-Wissenschaftssprecher Josef Broukal. Gehrer betreibe "reine Klientelpolitik". Die von Kirche und SPÖ formulierten Ausnahmen würden im Gegensatz zu jener der ÖVP einer Schulreform nicht im Weg stehen. Zudem sei die SPÖ auch bereit, die Zweidrittelerfordernis ohne Einschränkung abzuschaffen.

Grünen-Chef Alexander Van der Bellen kritisierte die "SPÖ-ÖVP-Blockadetaktik". Gehrer mache "plötzlich wieder einen totalen Rückzieher und die SPÖ bläst ins gleiche Horn". Zuerst sei die SPÖ mit dem Plan einverstanden, dann stelle sie auf einmal Bedingungen. Die Grünen wollen die Zweidrittelmehrheit für Schulfragen total streichen.

Koalitionspartner BZÖ will "das generelle Aus für die Zweidrittelmehrheit", ist aber bei zwei Themen (Religionsunterricht, Schulgeldfreiheit) gesprächsbereit.

(DER STANDARD-Printausgabe, 22.4.2005)