Handtasche von Cartier

Foto: Cartier

Der Standard: Sie sind in Zeiten der Krise in die Luxusbranche eingestiegen. Wie schwierig war das?

Tom Meggle: Die Frage ist ja immer, wann man auf ein Pferd aufsteigt. Die Luxusbranche erlebte in den 80er- und 90er-Jahren einen kontinuierlichen Aufstieg, dann kam der Hype mit der New Economy, und als ich mich neu orientierte, kam die Krise. Die Branche war in einer Depression, und genau da haben Quereinsteiger eine hervorragende Chance. Dann ist man offen für neue Ansätze und Methoden. Das war natürlich auch eine schwierige Zeit, aber mit den richtigen Methoden kann man dann auch gute Erfolge erzielen.

Der Standard: Wie geht die Luxusbranche mit der Krise um?

Meggle: Es geht vor allem um eine Ursachenanalyse. Woran liegt es, dass man in Krise gekommen ist? Da sind Unternehmen selten selbstkritisch, sondern suchen lieber die Ursachen woanders, im Irakkrieg oder in sonstigen externen Phänomenen. Die Unternehmen, die heute gut dastehen, haben früh ihre Hausaufgaben gemacht. Es wurden in der Luxusbranche auch große Fehlentscheidungen getroffen, etwa in der Sortiments- und Distributionspolitik. Die Unternehmen, die noch immer keine positiven Zahlen schreiben, haben interne Probleme.

Der Standard: Was interessiert Sie am Luxus?

Meggle: Mich interessiert vor allem, wie Luxus funktioniert. Was bewegt Menschen dazu, einen hohen Aufpreis für eine Marke zu zahlen, egal, ob sie ein Kleidungsstück von Chanel oder ein Schmuckstück von Cartier kaufen? Das ist für mich ein täglicher Lernprozess, das ist wie ein Mosaik, zu dem jeden Tag ein neuer Stein dazukommt.

Der Standard: Wo liegen die Zukunftsmärkte für die Luxusbranche?

Meggle: China explodiert, dort hat man einen ganz anderen materiellen Bezug zu Luxus. Bei uns steht ein Produkt desto höher im Ranking, je individueller es ist. Woanders ist es genau das Gegenteil: Je mehr Leute es haben, umso begehrter ist es.

Der Standard: Und der osteuropäische Markt?

Meggle: Eigene Cartier-Boutiquen, über die exklusiv unser Schmuck vertrieben wird, gibt es nur in Wien und in Moskau. Wir sind für zwölf osteuropäische Länder plus Deutschland und Österreich verantwortlich und sehen dort absolut einen Wachstumsmarkt. In jedem dieser Länder gibt es mindestens einen Multi-Brand-Juwelier, der Cartier-Uhren verkauft, der Markt ist also relativ gut erschlossen. Das ist eine sehr spannende Entwicklung, der Boom wird wohl in fünf bis zehn Jahren kommen. Die größte Reife als Markt hat Prag, Budapest liegt sechs bis acht Jahre hinter Prag, ist aber extrem schnell in seiner Entwicklung. Warschau sehe ich an dritter Stelle, Polen ist ein Land mit gewaltigem Potenzial, aber auch mit vielen Schwierigkeiten. Luxus lebt ja vom Tourismus, aber wer fährt übers Wochenende schon nach Warschau? Da fährt man zuerst wohl nach Prag oder nach Budapest.

Der Standard: Was halten Sie von der oft zitierten Brückenkopffunktion Wiens?

Meggle: Ich denke, die existiert absolut. Wien und Berlin werden mittelfristig die zentralen Großstädte, beide werden von der Erweiterung des europäischen Marktes nach Osten profitieren.

Der Standard: Was ist Ihr persönliches Lieblingsoutfit, und was würden Sie auf keinen Fall anziehen?

Meggle: Mein Lieblingsoutfit ist ein Wollanzug mit weißem Hemd, und sonst nix, also keine Krawatte. Ich brauche nicht viel Auswahl. Aber ich liebe Manschettenknöpfe über alles, sie sind für mich das wichtigste Accessoire, neben der Uhr am Handgelenk natürlich. Ich habe nur zwei Uhren, eine für den Sport, eine robuste Roadster aus Stahl. Und eine Santos 100, mit einem Kalbslederband, das wird so schön speckig und gibt der Uhr etwas Lässiges.

Nie würde ich Sandalen mit weißen Socken oder ein kurzärmeliges Hemd unter dem Blazer anziehen. (Der Standard/rondo/22/04/2005)