Die Macht der katholischen Kirche ist unter anderem eine Festschreibungsmacht. Sei es die Frage nach dem Wesen der Frau ("mit ihren Haltungen des Hörens, Aufnehmens, der Demut . . .") oder ihrer Stellung in der Kirche (unterhalb der Kanzel). Sei es die Antwort auf die - außerhalb Österreichs - zunehmende staatliche Akzeptanz der Homo-Ehe ("Billigung oder Legalisierung des Bösen"): Die vatikanischen Kategorisierungen und Wertungen haben für 1,1 Milliarden Katholikinnen und Katholiken Verbindlichkeit - oder sollen es haben.

Dieser potenzielle Zugriff auf Hirne und Herzen rund eines Fünftels der Erdbevölkerung macht den neuen Papst Benedikt XVI. für Frauen und auch für Homosexuelle zu einem bedenklichen Signal. War doch Joseph Kardinal Ratzinger als Präfekt der Glaubenskongregation bei einschlägigen Veröffentlichungen der vergangenen Jahre jeweils federführend. Im heißen Sommer 2003 schätzten Ratzinger und seine vatikanischen Theologen die Homo-Ehe gar als derart "schwer wiegend ungerecht" ein, dass sie nicht nur Gläubige, sondern "alle Menschen" zum "Einspruch aus Gewissensgründen" aufforderten. Ein Verlangen, das etwa in Österreich Grüne und SPÖ mit Recht als Versuch einer unlauteren Einmischung ablehnten - Letztere trotz Gusenbauer, wie nach der Würdigung Benedikts XVI. durch den SP-Chef wohl zu betonen ist.

Die Ablehnung der Homo-Ehe sei nicht mit Ausschluss der Homosexuellen aus der katholischen Christenheit gleichzusetzen, beeilte sich Ratzinger daraufhin in aller Barmherzigkeit zu betonen. Ein "Entgegenkommen", das von Homosexuellen Selbstverleugnung fordert. Und das nicht über das Gefühl der Fremdheit hinweghilft, das angesichts des purpurn, weiß und golden gewandeten Altmännerbunds während des Konklaves wohl so manchen Schwulen, so manche Frau beschlichen hat. (DER STANDARD, Printausgabe, 21.04.2005)