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Gedenkmarsch in Eriwan

Foto: REUTERS/Melik Bagdasarian
Eriwan - Tausende Menschen haben am Sonntag in der armenischen Hauptstadt Eriwan der Massaker und Todesmärsche vor 90 Jahren im damaligen Osmanischen Reich gedacht. Schweigend oder in Tränen legten sie Blumen vor dem Denkmal zum Gedenken an die Opfer auf dem Zizernakaberda-Hügel nieder. Mehr als zehntausend Demonstranten zogen am Samstagabend in einem Marsch zu der Gedenkstätte und forderten das Nachbarland Türkei zu einem umfassenden Schuldeingeständnis auf. Die Türkei als Nachfolgestaat des Osmanischen Reichs müsse die Massaker im Ersten Weltkrieg als Völkermord anerkennen, hieß es am Samstag auf Spruchbändern und in Sprechchören.

"Kein Trauermarsch"

"Das ist kein Trauermarsch", sagte einer der Organisatoren, Sinawor Megrian. "Wir fordern, dass die Türkei den Völkermord anerkennt." Am Sonntag jährt sich zum 90. Mal der Beginn der Armenierverfolgung, der mehrere hunderttausend Menschen zum Opfer fielen.

"Eine Frage der Moral"

Auch der armenische Präsident Robert Kocharian forderte die Türkei zum vollen Eingeständnis der historischen Schuld auf. "Es geht hier nicht um materielle Wiedergutmachung, es ist eine Frage der Moral", sagte der Präsident am Samstag in einem Interview mit dem russischen Fernsehen. Armenien sei daran interessiert, die bilateralen Beziehungen weiterzuentwickeln: "Wir müssen in die Zukunft blicken, nicht in die Vergangenheit, obwohl wir diese nicht vergessen dürfen."

Nach armenischen Angaben 1,5 Millionen Opfer der Verfolgungen

Den am 24. April 1915 begonnenen Verfolgungen fielen mehrere hunderttausend Menschen zum Opfer, nach armenischen Angaben sogar 1,5 Millionen. Während Armenien von Völkermord spricht, wird dies in der Türkei zurückgewiesen. Der Nachbar spricht von einer kriegsbedingten Zwangsumsiedlung und setzt die Opferzahl wesentlich niedriger an. Das Thema sorgt immer wieder für Spannungen zwischen der Türkei und europäischen Ländern und vergiftet das türkische Verhältnis zum Nachbarn Armenien.

Die Behörden erwarteten am Sonntag 1,5 Millionen Besucher bei dem Mahnmal - dies ist fast die Hälfte der Bevölkerung des Landes. Außerdem reisten mehrere tausend Angehörige der armenischen Diaspora nach Eriwan. Überall luden Kirchen und Klöster zu Gedenkgottesdiensten ein. Höhepunkt der Gedenkfeiern sollte eine landesweite Schweigeminute um 17.00 Uhr (16.00 Uhr MEZ) sein.

24. April 1915

Inmitten der Wirren des Ersten Weltkriegs startete die Armee des osmanischen Sultankalifen am 24. April 1915 ihren Feldzug gegen die christliche Minderheit der Armenier. In der Türkei, dem Nachfolgerstaat des Osmanischen Reichs, bleibt das Thema weitgehend tabu. Ankara räumt zwar ein, dass bei Zwangsumsiedelungen und Massakern mehrere hunderttausend Menschen starben, weist den Vorwurf des Völkermords aber zurück. Mit Spannung wartet Ankara auf die traditionelle Stellungnahme von US-Präsident George W. Bush zum 24. April. Sollte er erstmals von Völkermord sprechen, wäre dies für die türkische Führung ein schwerer Schlag.(APA/AP/red)