Das Integrationshaus betreut Menschen mit "besonderem Betreuungsbedarf" wie Traumatisierte, Alleinerzieherinnen und unbegleitete Jugendliche.

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Das Wiener Integrationshaus wurde vor zehn Jahren als Reaktion auf die Flüchtlingswelle aus der Balkan-Kriegsregion als Verein gegründet. Gründungs- und Vorstandsmitglied ist unter anderem der Musiker Willi Resetarits, der seine Popularität für die Interessen des Hauses einsetzt, Leiterin ist Andrea Eraslan-Weninger. Im derStandard.at-Interview fordern sie wesentliche Veränderungen im Asylgesetzentwurf und werfen der österreichischen Asylpolitik vor, reine Asylmissbrauchsverhinderung zu betreiben. Den speziellen Bedürfnissen traumatisierter Menschen und Jugendlicher werde dabei keine Beachtung geschenkt.

derStandard.at: Das Integrationshaus hat auf den Asylesetzesentwurf von Ministerin Prokop mit der Aufforderung reagiert, den Enwurf doch bitte "einzustampfen". Was sind die vorrangigen Kritikpunkte?

Andrea Eraslan-Weninger: Es müsste immer noch sehr viel ausgebessert werden, damit auch wir zufrieden sind. Der Entwurf muss der Genfer Flüchtlingskonvention entsprechen, muss menschenrechtskonform sein, muss verfassungskonform sein. Derzeit werden Situationen geschaffen, die man nur als humanitäre Katastrophen bezeichnen kann. Zum Beispiel soll der Abschiebeschutz für Traumatisierte nicht mehr gelten, die Rechtssicherheit während laufender Verfahren wird unterwandert. Wir haben überhaupt den Eindruck, dass die besonderen Bedürfnisse dieser Personen total ignoriert werden. Es gibt sehr vieles in diesem Gesetzesentwurf, das total dem widerspricht, was traumatisierte Asylwerber eigentlich brauchen würden.

Willi Resetarits: Ich persönlich habe immer den Eindruck, dass Asylgesetze Asylmissbrauchsverhinderungsgesetze sind, die überhaupt nicht der Realität gerecht werden und in denen der "traumatisierte Mensch" überhaupt nicht vorkommt. So ein Gesetz sagt für mich aus: "Na, denen werden wir es jetzt so schwer wie möglich machen". Das ist entsetzlich für jemanden, der aus seinem Land flüchten musste, viel mitgemacht hat und dann in dieses Asylmissbrauchseck gestellt wird.

derStandard.at Ein Abschreckungssignal, dass die österreichische Politik bewusst setzt?

Andrea Eraslan-Weninger: Bezeichnend ist, dass in Österreich alles, was Asyl und Integration betrifft, im Innenministerium angesiedelt ist, also eng verknüpft mit Themen der Sicherheit ist. Das äußert sich in vielerlei Hinsicht: Polizei, statt Betreuung, die Möglichkeit der unbegrenzten Schubhaft, die Unterstellung des Asylmissbrauchs auf Schritt und Tritt. Damit geht der eigentliche Sinn eines solchen Gesetzes einfach verloren.

Willi Resetarits: Für Flüchtlinge ist dieser Zugang eine echte Katastrophe. Vor allem die systematische Unterstellung von Asylmissbrauch kommt noch einmal in die Nähe dessen, was die Menschen schon erlebt haben.

Andrea Eraslan-Weninger: Zu diesem Thema gibt es übrigens eine sehr interessante Stellungnahme von Prof. Friedmann, der klarstellt, dass die Simulierung einer Tramatisierung nicht möglich ist.

derStandard.at: Das Integrationshaus betreut unter anderem nichtbegleitete, minderjährige Flüchtlinge. Hat das neue Asylgesetz für diese Personen zumindest einen ausreichenden Schutz zu bieten?

Andrea Eraslan-Weninger: Leider sieht der Gesetzesentwurf auch in dieser Hinsicht eine Verschlechterung vor. So soll das Alter für die Erreichung der Handlungsfähigkeit im Fremdenpolizeigesetz vom 16 auf 14 herabgesetzt werden. Wir fordern in unserer Stellungnahme jedoch das Anheben auf 18. Außerdem würden wir es als angemessen empfinden, wenn die prinzipielle Erstzuständigkeit und Rechtszuständigkeit für jugendliche AsylwerberInnen bei der Jugendwohlfahrt liegen würde. Denn es geht nicht nur darum, dass man in der Rechtsvertretung und im Asylrecht kompetent ist, sondern dass man eben auch das spezielle Know How für Jugendliche mitbringt.

derStandard.at Haben Ihre Schützlinge diskriminierende Erfahrungen in Wien?

Andrea Eraslan-Weninger: Definitiv. Vor allem unsere Jugendlichen berichten von diskriminierenden Erlebnissen. Die Veränderung des Klimas ist für die Menschen spürbar. Es gibt eine Menge an äußerst bedenklichen Ausgrenzungen. Auch, dass der Zugang zum Arbeitsmarkt nicht exisitiert, ist ein großes Problem. Uns ist es wichtig, dass die Asylwerber auch ihr Potenzial ausschöpfen können.

derStandard.at: Hat das negative Bild des Asylsuchenden in der Öffentlichkeit mit der Politik der Schwarz-Blauen Regierung zu tun?

Willi Resetarits: Ich kann mich erinnern, dass schon Löschnak und Matzka hier harte Töne anschlugen. Ein Ausspruch blieb mir in Erinnerung: "Wir werden sie alle kriegen", womit er Leute meinte, die Asylgründe vortäuschen. Trotzdem hat die harte Gangart unter Schwarz-Blau zugenommen.

Andrea Eraslan-Weninger: Ich glaube sehr wohl, dass sich die Sprache und das Klima insgesamt verändert hat, und das ist meiner Meinung nach politisch bewusst geschürt, was auf vielen Ebenen bedenkliche Auswirkungen hat.

derStandard.at Wie groß schätzen Sie die Chance ein, dass Punkte ihrer Stellungnahme oder der von anderer NGOs im Gesetz noch berücksichtigt werden?

Andrea Eraslan-Weninger: Wir sind "vorsichtig optimistisch". Zu beurteilen wird das Ganze an der Essenz sein. Man kann nur hoffen, dass gegenüber dem Entwurf noch viel geändert wird. Sonst ist das wirklich keine akzeptable Grundlage. Uns wäre es lieber gewesen, wenn die Regierung Vorschläge aus dem "Wahrnehmungsbericht zum Asylgesetz 2003" aller NGOs zur Reperatur des Strasser-Gesetzes herangezogen hätte.

Willi Resetarits: Mir scheint allgemein, dass der Ministeriumsapparat geradezu Angst davor hat, zu akzeptieren, dass die NGOs auf diesem Gebiet einfach die Experten sind. Ein Beamter des Innenministeriums hat dazu einmal gesagt: "Wenn wir zugeben würden, das ihr etwas besser könnt, dann müssten wir zugeben, dass wir das schlechter können."