Familie Lutz im Spukhaus

Im Horrorfach gehören Wiedergänger zur fixen Ausstattung. Gegenwärtig trifft diese Regel nicht nur auf das Personal der Filme, sondern auf das gesamte Genre zu: Ob Klassiker, B-Movie oder japanischer Gruselfilm – am US-Markt liegen Sequels und Remakes weiter im Trend.

Erfolgsproduzent Michael Bay hat sich dabei auf das Recycling von Horrorfilmen der 60er- bis 70er-Jahre spezialisiert.

Foto: CentFox

Dem Remake von The Texas Chainsaw Massacre lässt er nun The Amityville Horror folgen, im Unterschied zu Ersterem kein Meilenstein des Genres.

Im Mittelpunkt steht ein idyllisch an einem See gelegenes Einfamilienhaus – seit es Schauplatz eines Gemetzels wurde, eine Okkasion am Immobilienmarkt. Das Ehepaar Lutz (Ryan Reynolds und Melissa George) ist nicht lang misstrauisch und schlägt zu.

Foto: CentFox

Der Glaube, das erstrebte Familienglück gefunden zu haben (drei Kinder aus der ersten Ehe der Frau sind auch dabei), ist anfangs stärker als der Spuk. Als sich der Mann vom posthippieesken Weichling allmählich zum manischen Holzfäller wandelt, hängt aber bald der Haussegen schief ...

Regisseur Andrew Douglas passt das Remake zwar schockökonomisch an die Erfordernisse der Gegenwart an.

Foto: CentFox

Das dramaturgische Grunddilemma des Films bleibt jedoch dasselbe wie im Original: Der Verhaltenswandel des Mannes kommt zu unvermittelt. Da wundert es nicht, dass der Film immer wieder als Szenario männlicher Angst vor kinderreichen Witwen interpretiert wurde. (kam)

Foto: CentFox

Schuld und Liebe

In einer entlegenen Siedlung in Nordspanien hat Regisseur Manuel Gutiérrez Aragón sein zeitgenössisches Melodram Das Leben, das dich erwartet / La vida que te espera angesiedelt:

Zwischen den Kindern verfeindeter Bauernfamilien entwickelt sich dort eine Beziehung, auf der jedoch eine geheime Schuld lastet. (irr)

Foto: Polyfilm

Mit dem dramaturgischen Kniff, moderne Medienwelt auszublenden - Fernsehen und Handyverbindung gibt es nicht im Tal -, ist der Boden bereitet für Grundsätzliches:

Generationswechsel, mehrkulturelle spanische Identität und, gegen Ende hin immer deutlicher, ein Appell an eine qualitätsorientierte Neubegründung des Berufsstandes der Kleinbauern wider eine Bürokratie von oben. (hcl)

Verleih: Polyfilm

Mit Jeremy Irons, Al Pacio und Al Pacino, Jeremy Irons, Joseph Fiennes starbesetzt hat der englische Regisseur Michael Radford seine insgesamt eher bieder ausgefallene filmische Umsetzung von William Shakespeares Der Kaufmann von Venedig / The Merchant of Venice.

Foto: Columbia

Etwas altväterisch gerät auch Sidney Pollacks Politthriller The Interpreter / Die Dolmetscherin, in dem einem von langer Hand geplanten Attentat auf einen Staatschef Einhalt geboten werden soll.

Schauplatz ist das Hauptquartier der UNO in New York; Nicole Kidman spielt eine ebendort tätige Simultan-Dolmetscherin für rare afrikanische Sprachen, die vage Pläne erlauscht, Sean Penn einen mit dem Fall betrauten Ermittler. Zur privaten Unterfütterung von Politischen werden beiden zurückliegende Traumata zugeteilt, die parallel mitbearbeitet werden - bei wohlig temperierter Action.

Foto: UIP

Die Sicht auf die Konstellationen und Optionen für ein Afrika zwischen Ent- und verdeckter Wiederkolonialisierung mögen ein wenig angestaubt wirken, immerhin zeigt sich Pollacks ehrenwert liberaler Gestus in einem nachdrücklichen Appell für die Würdigung der UNO und des Den Haager Gerichtes.

Ausführlichers siehe in einer Besprechung von Isabella Reicher
'Ohr am Weltgeschehen'

Foto: UIP

Wunderhübscher Rechtsausleger

Angeleitet von weitäugigen jungen Damen konnte man zuletzt im Kino den Führerbunker und Gestapo-Verhörzellen besuchen. Nachdem Der Untergang und Sophie Scholl eine fragwürdige Umschreibung deutscher Nazi-Geschichte im Zeichen des Kitsches betrieben haben, und noch bevor uns mit Das Goebbels Experiment die Chance geboten wird, nach Worten des Regisseurs "den Goebbels in uns allen zu entdecken", geht es ab in eine düstere Ordensburg, in der mit viel Nachhall Marschlieder im Chor und Schaftstiefel zu hören sind, zur Napola - Elite für den Führer.

Foto: Constantin

Reiseleiter im Drama (doppelsinnig auffassbar) von Dennis Gansel (Mädchen, Mädchen) ist nun ein strammer athletischer Schönling von 17 Jahren (Max Riemelt), der 1942 in bescheidenem Berliner Arbeitermilieu in beinah Zille'scher Hinterhofromantik aufwächst, bis sein Talent im Boxen ihm die Protegierung eines Trainers in Reichsdiensten einträgt.

Nach Klassifizierung als "nordisch 1b" folgt ein unüblicher Aufenthalt in einer "Nationalpolitischen Erziehungsanstalt": Letztlich erweist sich der Späteinsteiger nämlich als zu "aufrecht und ehrlich" für die Institution.

Foto: Constantin

Bei der Aufbereitung dieses Männerbundes für heutiges Publikum (Merket: Unterschwellig dampfende Homoerotik ist ja zeitlos!) greift Gansel zu simplen Castingentscheidungen und Personifizierungen:

Ein lyrischer Pazifist, mit dem er sich anfreundet, heißt dann "Albrecht Stein" (Tom Schilling, immerhin mit bemerkenswerter Darstellung), dessen SA-Vater ist blonder Vierschröter wie unser Held, die Obrigkeit ist primär steif verkniffen (à la illoyale preußische Offiziere), der fiese Kontrahent aus der rivalisierenden Boxstaffel spricht Wiener Vorstadtakzent.

Foto: Constantin

Sprechendes Detail: In einer Schulstunde sollen Referate zum Thema "Die Winterlandschaft und ihre Bedeutung für deutsche Heldensagen" gehalten werden. Reichlich affirmativ ist diese dann Hintergrund der Handlungswendung und schließlich werden wir auch mit ihr aus dem Film entlassen. (hcl)

Ausführlicheres siehe in einer Besprechung von Isabella Reicher
'Schule für den Heldentod'

österreichweit
napola-special.film.de

Foto: Constantin

Unter dem Titel Das Leben vor Augen zeigt die Wiener Filmakademie vom 22. bis 28. April jeweils um 21:00 Uhr im Wiener Votivkino fünf jüngere ausgewählte Arbeiten, welche bei durchwegs tief existenziellen Themen eine Bandbreite individueller Handschriften präsentieren - teils Preisgekröntes mit viel Festivalpräsenz, bisweilen mit bekannten Namen wie Ursula Strauss ((Böse Zellen, hier im Bild in Peter Jaitz' Erinnerungsfolge Von Bis), Robert Stadlober (Crazy, zu sehen in Thomas Schwendemanns Felix Ende) oder dem Wiener Allround-Entertainer Hubsi Kramar.

Foto: CineNext

Und auch ein Teilnehmer der Semaine de la Critique des diesjährigen Filmfestivals von Cannes ist zu sehen, Michael Ramsauers bei der Diagonale zweifach preisgekrönter, in Dialog und Schauspielführung dichter Selbstmordpkat- Showdown dreier Jugendlicher, Michael Ramsauers Echos.

Foto: CineNext

Ebenfalls im Votivkino und zwar am Sonntag, den 24. April, miittags: ein Vortrag in englischer und deutscher Sprache von Antonia Lant (Wien/New York) zu Orientalismus und Ägyptomanie im Kino / Orientalism in Cinema anhand von Beispielen aus der Frühzeit des Kinos, veranstaltet vom Institut Pitanga im Rahmen der Reihe Sinn und Sinnlichkeit und gefolgt von einem Klassiker, Karl Freunds The Mummy (1932) mit Boris Karloff.

Wien, Votivkino
11:00 Lecture, 12:00 Film
pitanga.at

Foto: Votivkino

Politgeschichte im Film

Das Wiener Archiv des Vereins der Geschichte der Arbeiterbewegung gewährt am Montag, den 25.4., um 19:00 Uhr im Filmhauskino am Spittelberg Einblicke in 40 Jahre Wahlwerbung der SPÖ. Unter dem Titel Stift und Stummel werden Film- und TV-Beispiele von Wahlwerbefilmen aus dem Zeitraum von 1950-1990 vorgeführt. Historiker Peter Huemer und Regisseur Kurt Brazda moderieren das Programm.

Wien 7., Spittelberggasse 3 wien.gv.at/ma08/vga

Foto: Verein für Geschichte der Arbeiterbewegung

Die Reihe "Faszination Filmarchivierung" des Filmarchivs Austria im Metro Kino widmet sich am Mi. 27.4. 21:00 der Ostmark-Wochenschau (Eintritt frei, nach telefonischer Anmeldung 5121803) - eigebettet in den bis Monatsende laufenden Rundblick zum NS-Propagandakino, Hollywoods Gegenoffensive und der Rolle der Wien-Film 1939-1945.

Details, Programm: filmarchiv.at

Foto: Filmarchiv

Drei Jahre nach dem Amtsantritt der wirtschaftlich hart neoliberal auftretenden US-Regierung Reagans drehte Jim McBride mit Breathless (26.4. 19:00) ein nach Kalifornien verlegtes Remake von Godards Einstiegswerk A bout de souffle. Letztlich Klassendenken bestimmt das Verhältnis der Architektur studierenden höheren Tochter Valerie Kaprisky und dem rebellischen Kleingaunereien zugeneigten Boy Toy Richard Gere: Academia hier, der Cartoon des Silver Surfer da - popkulturelle Unterfütterung erfährt eine stimmige Neufassung der Idee eines Film Noir, dem sich bis Monatsende das Österreichische Filmmuseum widmet.

Foto: Filmmuseum

Obsthandel als von kriminellen Machenschaften durchwirktes Gewerbe präsentiert am 24.4. 19:30 des in seinen politischen Implikationen exemplarischer Klassiker des Filmstiles, Jules Dassins Thieves' Highway - und ein nettes Detail: den Schriftzug "Melo-glow" auf den Kisten.

Hinweis: Direkt davor, um 18:00, hält der US-Filmemacher und Kulturhistoriker Thom Andersen eine Lecture zu "Film Gris" Reconsidered. Eintritt frei, Empfehlung!

Ausführlicheres zur Filmreihe siehe in einem Artikel von Dominik Kamalzadeh 'Eine Sensibilität für die Vergeblichkeit'

Foto: Filmmuseum

Eine erste Vorschau gilt der zweiten Folge der im Filmmuseum in Kooperation mit Sixpackfilm von 27. bis 30. April gezeigten Recherche-Reihe Rohstoff:

Aufbereitet werden "überlebende" Werke der Formate 8mm und Super-8, einst auch Domäne diverser Subkulturen - dem Kunstbereich zuordenbares wie Ohne Titel von Heimo Zobernig (1981) ebenso wie Werke aus dem "Underground des Underground", etwa Richard Kerns höchst körperbetontes Schock-Bohèmestück X is Y (1991).

Fotos: Filmmuseum

Eine zweite Vorschau den hoch präzise kadrierten Eiblicken in Alltagswelten, wie sie die deutsche Filmemacherin Corinna Schnitt verfertigt: Das Verhältnis von Text und Bild läuft parallel mit einer Verbindung zwischen Privatem und Öffentlichem, zwischen Innenraum und Außenraum, zwischen Erzählung und Architektur.

Corinna Schnitt ist am 28. April bei der Vorführung ihres Werkes (von Schönen guten Tag, 1995, bis Living a beautiful Life, 2003; 19:00) sowie einem von ihr kuratierten Carte-Blanche-Kurzfilmblock (21:00) zugegen.

Fotos: Filmmuseum

Und eine dritte Vorschau der französischen Regisseurin Claire Denis, deren formal ausgeklügeltes wie sinnlich subtiles Werk im Mai in einer umfassenden Retrospektive gewürdigt wird. Auftakt am 1. Mai mit einer Präsentation eines von Michael Omasta (SYNEMA) und Isabella Reicher (DER STANDARD) herausgegebenen Buches Claire Denis - Trouble Every Day.

Details, Programm: filmmuseum.at

Foto: Filmmuseum

Ein abschließende Blick auf einen Augenstern. Der steht für das von 26.4. bis 1.5. in Linz zum zweiten Mal abgehaltene Festival Crossing Europe. Eine hochqualitative Auswahl zeitgenössischen europäischen Filmschaffens steht ins Haus - nachdrückliche Empfehlung, und sei es nur für einen Tagesausflug.

Details, Programm: crossingeurope.at


hc.leitich (hcl) auf Grundlage von:
Dominik Kamalzadeh (kam)
und Isabella Reicher (irr)
(DER STANDARD, 21. 4. 2005)

Foto: Crossing Europe