Grafik: Der Standard

Heute möchte ich versuchen, gegen den Plastik-Korken anzuschreiben - zugegeben, eine Auftragskolumne, denn es passiert hin und wieder, dass ich jemandem begegne, der meint, der Zufall brauche Verbündete, was stimmt, und, bevor dieser schöne Platz verödet, fühlt sich derjenige dann berufen, "schreib doch mal was gegen die Plastik-Korken!" zu rufen, aber während ich hier versuche, mit größtmöglicher Empathie alles Negative gegen den Plastik-Korken zusammenzusammeln, (und es gibt ausschließlich Negatives über den Plastik-Korken zu sagen) fällt mir doch der Zufall hindernd entgegen, denn ich war neulich eingeladen bei der anmutigen Frau P. und wurde einer gütigen Dame vorgestellt, die freundlich, aber streng erklärte, dass es keine Zufälle gäbe, nur ein Universum, welches alles vorausgeplant hätte, was ich dauernd höre, worauf ich immer ins Stottern gerate und es mir nicht recht gelingt, den Zufall zu verteidigen, was wiederum kein Zufall ist, weil bei der höchst anmutigen Frau P. war männliche Schönheit derart geballt versammelt, dass ich meine völlige Machtlosigkeit, klare Gedanken zu fassen, einsehen musste, und so von der geschmeidigen Gesellschaftstigerin zur humpelnden dreibeinigen Salonhyäne mutierte, was leider öfter passiert, weshalb ich schon vor Jahren ein wunderbares Unhöflichkeitsbuch zusammengetragen habe, über Höflichkeit, Hofnarren und Karlmarx-Höflichkeiten, wobei wir sogar bratislavische Courtisanen (Hofhuren) engagierten, zwecks libidinöser Störung der Eröffnung des Leopold-Museums, um nachzuweisen, dass es gar keine Höflichkeit mehr gibt, sondern nur noch moderne Höflinge, die ihre berechnenden Komplimente und Witze um sich streuen, um Zufälle zu verscheuchen, wobei mir einfällt, dass H. neulich meinte, sein Lieblingsfilm sei "Der Teufel, möglicherweise", und zwar deshalb, weil dieser Film so vollkommen humorfrei ist, was in Zeiten wie diesen, wo dauernd angestrengte Witzpflicht herrscht, wahrhaft befreit, grade angesichts der Unsitte, heutzutage sogar über siegreiche sexuelle Rivalen zu witzeln, anstatt dieselben mit geladenen Pistolen auf die Prater-Hauptallee zu bitten, zwecks gegenseitiger Erlösung von untragbaren Befindlichkeiten, wobei mir einfällt, dass ich dem Zufall eine Kerze spendieren muss, dafür, dass mir H. zugefallen ist, da er immer wieder ein neues, elegantes Weltbild aus dem Kaschmirschal zieht und auf seinem Sofa liegt auch die einzige witzfreie Kolumne, die von Tyler Brulee aus der Financial Times, die lange Listen mit plastikkorkenfreien "In"-Restaurants veröffentlicht, wobei alles, was in ist, ja eigentlich schon wieder out ist, weshalb Ihnen das Universum heute eine kausalverkettete Plastik-Korken-Kolumne ohne Pointe und ohne Punkt servierte, zu 55% von Ihrer ...

Ihre Cosima Reif, Zufallskolumnistin (Der Standard/rondo/15.04.2005)