Berlin - In der DDR totgeschwiegene Literatur kommt
jetzt erstmals an die Öffentlichkeit. Die Stiftung zur Aufarbeitung
der SED-Diktatur erhält an diesem Mittwoch in Berlin das Archiv
unterdrückter Literatur. Gründer sind die Autoren und
Literaturwissenschaftler Ines Geipel und Joachim Walther. Sie haben
mehr als 40.000 Manuskriptseiten von rund 100 Autoren
zusammengetragen, die ihre Arbeit aus politischen Gründen in der DDR
nicht veröffentlichen durften. Neben Manuskripten von Schriftstellern
wie Lutz Rathenow oder Siegmar Faust sind in dem Archiv auch Werke
von völlig unbekannten Autoren vertreten.
"Jenseits des offiziellen DDR-Literaturkanons"
Die 1998 vom Bundestag eingerichtete Stiftung zur Aufarbeitung der
SED-Diktatur, die die Recherchen finanziell unterstützt hat, will die
Texte für Forschung und Dokumentation zugänglich machen. Die Texte
belegten eindrücklich die Existenz eines breiten künstlerischen
Schaffens jenseits des offiziellen Literaturkanons in der DDR, hieß
es. Den früher unterdrückten Autoren soll zudem mit Publikationen,
Kolloquien, Lesungen und anderen Veranstaltungen eine öffentliche
Stimme gegeben werden.
"Verschwiegene Bibliothek"
Teile des Archivs werden von der Edition Büchergilde als
"Verschwiegene Bibliothek" publiziert. Die ersten beiden Bände sollen
bei der Übergabe des Archiv ebenfalls präsentiert werden. Mit "Jahr
ohne Frühling" von Edeltraut Eckert werden Briefe und Gedichte einer
jungen Dichterin aus den Gründungsjahren der DDR vorgelegt. Eckert
starb 1955 an den Folgen eines Arbeitsunfalls, den sie während der
Haft in einem DDR-Gefängnis erlitten hatte. Der Leipziger Autor Radjo
Monk berichtet in seinem literarischen Tagebuch "Blende 89" von den
Montagsdemonstrationen im Wendeherbst. Monk alias Christian Heckel
wurde von der Stasi als "negativ feindlicher Aussteiger" überwacht. (APA/dpa)