Die zweite Nationalratspräsidentin Barbara Prammer im Interview mit Radio Westsahara.

Foto: Maxian
Seit Jahrzehnten kämpft die ehemalige spanische Kolonie Westsahara um politische Unabhängigkeit von Marokko. Eine Lösung des Problems ist bislang nicht in Sicht, eine Einigung, wem für das Referendum das Wahlrecht über die Zukunft des Landes zugesprochen werden soll liegt in weiter Ferne. Barbara Prammer (S), die im Frühjahr 2005 an der Spitze einer österreichischen Hilfsdelegation in die Westsahara gereist war, erzählt im Interview mit Christa Hager über die Lage der Bevölkerung und über die Position der SPÖ zu diesem Konflikt.

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derStandard.at: Gemeinsam mit einer österreichischen Hilfsdelegation sind Sie kürzlich nach Westsahara gereist. Was waren die Ziele dieser Reise und warum das Interesse an Westsahara?

Prammer: Es war meine dritte Reise in die Westsahara. Mich verbindet eine tiefe Freundschaft mit vielen Sahauris, und ich wollte mich bei ihnen wieder einmal vor Ort über die Situation informieren, mit ihnen die politische Entwicklung besprechen und es ist mir ganz wichtig gewesen, die Menschen wieder einmal in ihrem Alltag zu erleben und ihre Sorgen und Nöte mitzubekommen.

derStandard.at: Wie ist die Situation in den Städten und in den Flüchtlingslagern, die Sie besuchten?

Prammer: Schlecht. Die medizinische Versorgung in den Lagern ist unzureichend, die Menschen sind demoralisiert – seit 30 Jahren warten sie auf das ihnen versprochenen Plebiszit über die Unabhängigkeit ohne dass sich irgendetwas getan hätte. Ihre Hoffnungslosigkeit ist greifbar. Sie fürchten, nie mehr aus den Lagern heraus zu kommen. Das demoralisiert, das macht mutlos. Vor allem die jungen Sahauris sehen sich gezwungen ihre Chancen anderswo zu suchen, denn in den Flüchtlingslagern kann ihre Zukunft nicht liegen – zurück bleiben die Alten, die Kranken.

derStandard.at: Wie wurden die österreichische Delegation aufgenommen? Woran mangelt es in DARS und wie kann man als ÖsterreicherIn helfen?

Prammer: Die Sahauris sind extrem gastfreundlich. Sie haben so gut wie nichts, aber das Wenige sind sie bereit zu geben. Nahrungsmittellieferungen sind nur noch bis Mai gesichert – doch was dann? Die Flüchtlingslager stehen im Nirgendwo in der Wüste, hier muss jeder Tropfen Wasser, jedes Hirsekorn angeliefert werden. Das Ende, ja nur die Einschränkung der Hilfslieferungen würde eine menschliche Tragödie auslösen. Über die Öberösterreischisch-Sahaurische Gesellschaft gibt es immer wieder Hilfsprojekte – etwa Ferienaufenthalte für Kinder, Ausbildungsplätze für junge Frauen und Männer oder die Organisation medizinischer Hilfslieferungen. Schon lange ist die Westsahara für die offizielle österreichische Entwicklungshilfe ein Schwerpunktland.

derStandard.at: Warum wird die Abhaltung des von der UNO vorgeschlagenen Selbstbestimmungs-Referendums von der marokkanischen Besatzungsmacht verhindert? Gibt es Aussicht auf die Durchführung eines solchen Referendums, oder wird sich der jetzige Status quo auch in Zukunft nicht ändern? Was ist Ihre Einschätzung?

Prammer: Ich fürchte, an der Lage wird sich vorerst wirklich nichts ändern, dazu sind die Interessen derzeit viel zu unterschiedlich. Politisch ist die Lage sehr kompliziert.

derStandard.at: Welche Gründe gibt es, dass die UNO in diesem Konflikt nicht weiterkommt bzw. sich nun an dem Kompromiss einer Autonomielösung orientiert, der von der POLISARIO abgelehnt wird?

Prammer: Die Sahauris wollen den Konflikt friedlich lösen, der bereits seit 30 Jahren schwelt. Doch es geht "nur" um 160.000 Menschen, da ist das internationale Interesse gering. Die Welt reagiert nur mehr auf Gewalt, wir müssen das fast täglich erleben.

derStandard.at: In Westsahara gibt es auch zahlreiche Bodenschätze. Inwieweit spielen jene in diesem Konflikt eine Rolle?

Prammer: Eine große natürlich. Vor allem geht es um die angeblichen Ölvorkommen vor der Küste.

derStandard.at: Vertreten die EU und die USA in diesem Konflikt unterschiedliche Positionen? Wenn ja, warum?

Prammer: Die USA zeigen kein großes Interesse an dem Konflikt. Innerhalb der EU gibt es zaghafte Versuche einiger Mitgliedsstaaten beim Versuch den Konflikt zu lösen, der sich im Vorhof der EU abspielt. Aber, wie gesagt, die Situation ist sehr verfahren.

derStandard.at: Welche Position vertritt die SPÖ? Wie steht die Partei zur POLISARIO?

Prammer: Die POLISARIO fordert ein Referendum, das den Konflikt endlich lösen soll, die SPÖ hat sie dabei immer unterstütz. Die POLISARIO ist ein rares positives Beispiel für die gemeinsame Strategie eines ganzen Volkes.

derStandard.at: Für die Rechte der PalästinenserInnen tritt die SPÖ seit der Ära Kreisky ein. Warum hat sich die Partei bisher sehr still zur Situation in Westsahara verhalten? Gibt es hinsichtlich der Unterstützung Parallelen?

Prammer: Wir sind überhaupt nicht still gewesen. Auf allen politischen Ebenen, sowohl in Österreich als auch in der EU haben wir immer wieder Vorstöße zur Verbesserung der Lebensbedingungen der Sahauris unternommen. Wir informieren uns regelmäßig vor Ort und sehen deshalb auch wirklich was die Menschen brauchen. EU-Abgeordnete Karin Scheele ist die Vorsitzende der Österreichisch-Sahaurischen Gesellschaft – sie kennt die Lage in der Westsahara durch ihre regelmäßige Präsenz wirklich authentisch.