"Um den Terrorismus zu zerstören und zu beenden, steht die gesamte muslimische Welt hinter Amerika", kommentierten Seidensticker in Rainer Ganahls "Afghan Dialog" die Logos amerikanischer TV-Sender.

Foto: Mumok/Lena Deinhardstein
Dreck unter schmelzendem Schnee Vielschichtige Reflexionen über Medien und Sprache nach 9/11: Mit seiner Ausstellung "Road to War" in der Mumok Factory friert der österreichische Künstler Rainer Ganahl die elektronische Nachrichtenflut zu Standbildern ein und setzt auf Dia- statt auf Monolog.


Wien - Auf babyrosa T-Shirtstoff tummelt sich eine kleine Kollektion von Maschinengewehren, größere und kleinere Modelle in Reih und Glied. Im Baumwollleiberl: Rainer Ganahl. Im Zusammenhang mit seiner Ausstellung "Road to War" in der Mumok Factory führt dieses modische Detail fast ein wenig in die Irre. Aber Ganahl ist kein bewaffneter Krieger, zumindest nicht im klassischen Sinn. In seinem Fadenkreuz fokussiert er die politischen und kriegerischen Konflikte infolge von 9/11. Seinen Krieg erklärt er der einseitigen Darstellung in den US-Medien: "Das Bild muss komplexer gesehen werden."

Ganahl, der Geschichte und Philosophie studierte, will nicht Antiamerikanismus schüren, sondern jenen eine Plattform bieten, die sonst nicht gesehen und gehört werden. "Als Bomben auf Afghanistan fielen, fragte ich mich, was uns wohl die afghanische Bevölkerung zu sagen hätte."

Mit der Bitte um Kommentierung schickte er den traditionellen Seidenstickern Senderlogos und Schlagzeilen von CNN und Foxnews: "America strikes back" oder "Next target?" lauteten einige, die militärische Operationen der USA rahmende Titel. Eine Antwort aus den Afghan Dialogs: "Wenn Amerika andere verletzt, sollte es zuerst herausfinden, wie viel Schmerz es selbst erträgt."

Das Prinzip der "gestickten Politik" übertrug Ganahl in den Serien Arab Dialogs und Iraq Dialogs auf Keramikfliesen. Auf großen Bodenplatten prangt weiß auf schwarz der Schriftzug von CNN, "the most trusted name in news". Daneben in Arabisch: "Wenn der Schnee schmilzt, sieht man den Dreck darunter."

Stimmige Arbeiten, die dem Wort "Medienkunst" eine neue Bedeutung verleihen: Wie frische Wäsche hängen Startseiten bekannter US-Nachrichtenportale auf großformatige Leinwände gebannt von der Decke. Enthauptungen, Selbstmordattentate neben dem verführerischen Getöse von Soft News und Werbeeinschaltungen wurden aus dem elektronischen Raum exportiert und auf ein Bild fixiert: eine Momentaufnahme der unaufhörlich rasenden Nachrichtenflut.

In diesem Newsroom reihen sich die Mediensplitter dicht an dicht: Als man 2004 im Leitartikel der New York Times von der bisherigen Kriegsberichterstattung Abstand nahm, kopierte er den Artikel: händisch. Buchstabe für Buchstabe.

Aber auch die seit den frühen 90er-Jahren betriebenen Sprachstudien, die der gebürtige Vorarlberger mit amerikanischem Pass zum Teil seiner künstlerischen Praxis gemacht hat, fehlen nicht. Auf zahllosen Videokassetten speicherte er "My first 500 hours basic arabic", und ein Turm noch verschweißter Bänder verweist auf die nächsten 500 Lektionen. Standardsätze aus dem Arabisch-Lehrbuch illustriert Ganahl mit Fotos aus Damaskus: "Where do you want to travel?" scheint ein auf Stein verewigter Präsident Assad im Military-Look zu fragen.

"Ich bin kein Terrorist, kein religiöser Fanatiker, weiß nicht, wie man Bomben baut, und ziehe keine gefährlichen Informationen aus dem Internet", beteuert Ganahl mit den erworbenen Sprachkenntnissen im Video Homeland Security I-V. Dennoch, das Internet ist ein riesiger Datenspeicher - für Terroristen und alle anderen: Ein überdimensioniertes Google-Fenster überzieht die Wand: "22.200.000 Ergebnisse für ,terrorism' in 0,22 Sekunden". Gestern waren es 40.200.000. Wie viele sind es heute? (Der Standard, Printausgabe, 9./10. 04. 2005) Ausstellung bis 5. Juni 2005