Die von dem Buch Concierto barroco des kubanischen Autors Alejo Carpentier abgeleitete Choreografie zitiert Venedig als Gedächtnistheater auf die Bühne, die Lagunenstadt als kulturelle Identifikation und als Idee, und das Theater als Metapher für die Vergänglichkeit von Erlebtem. Musin dreht die Bühne um 90 Grad, sodass der Blick auf das Geschehen durch die "Gassen" der Seitenvorhänge fällt.
Ein schlichter, schlüssiger Einfall, mit dem die Bühne vom funktionalen Instrument zum "Mitspieler" wird. Des Choreografen zweiter Streich: Die Scheinwerfer wurden gefilmt und als großflächige Videoprojektion wiedergegeben. Dieser Film diente als (einzige) Lichtquelle für den zweiten Teil des Stücks und als Vordergrund für ein berückendes Schattenspiel.
Protagonistin in Concierto barocco ist eine - von der Finnin Hanna Ahti getanzte - Fotografin. Eine Figur, die sich stets an der Grenze der stilisierten Tanzbewegung befindet. Musin hat ihr leider nicht ermöglicht, diese Grenze zu überschreiten und sich einfach so zu geben, wie sich eine Fotografin während ihrer Versuche, das Vergängliche einzufangen, verhält.
Frische Tänzer
Abgesehen davon hat Musin seine Truppe und sich selbst weit gebracht. Nach knapp drei Jahren keine Spur mehr von den Verlegenheitslösungen und Geschraubtheiten der Anfangszeit. Die Tänzer agieren frisch, sie strahlen Stärke und Sicherheit aus, und Musin beherrscht die Festspielhaus-Bühne ausgezeichnet, weil er sie jetzt eben kennt. Das Stück lebt nicht nur durch die Qualität des Venice Baroque Orchestra und die beeindruckende Leistung der Sopranistin Simone Kermes.
Marcon und Musin haben wirklich kongenial kooperiert, Lukas Kaltenbäck ist dabei ein erstaunliches Lichtwerk im Bühnenwerk gelungen. Der Schlussstrich unter diese Company wird gerade in jenem Augenblick gezogen, in dem sie dabei ist, sich zum einzigen interessanten zeitgenössischen Ballett Österreichs zu entwickeln.