Andreij Sannikow: Erstarkte Opposition.

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Wien - Wladimir Putin werde Alexander Lukaschenko beim Treffen am Schwarzen Meer sicher keine auch nur kosmetischen demokratischen Reformen empfohlen haben, sagt der weißrussische Menschenrechtsaktivist Andrej Sannikow im Gespräch mit dem STANDARD. "Das liegt nicht in der Natur der beiden Männer." Im Gegenteil: Nach den Umbrüchen in Georgien, der Ukraine und Kirgistan denke man in Russland darüber nach, wie weitere Revolutionen im postsowjetischen Raum verhindert werden könnten. Dazu würden regelrechte "Zentren der Verhütung" geschaffen. Aber diese Strategie sei "kontraproduktiv" und könne den Wandel in Weißrussland sogar beschleunigen.

Sannikow erhielt am Montag in Wien den Bruno-Kreisky-Menschenrechtspreis. Der ehemalige weißrussische Vizeaußenminister ist als Mitbegründer der Menschenrechtsorganisation "Charta '97" und des neuen Bürgerrechtsforums "Freies Weißrussland" einer der führenden Oppositionellen des Landes.

Als offensichtliche Reaktion auf die Ereignisse in Kirgistan wurde die Repression in Weißrussland verschärft, berichtet Sannikow. Eine Demonstration am 25. März in Minsk, die mit Kirgistan gar nichts zu tun hatte, sei gewaltsam aufgelöst worden.

Einen einzigen, gemeinsamen Kandidaten für die Präsidentschaftswahlen 2006 zu haben sei nicht entscheidend, möglicherweise sogar gefährlich, sagt Sannikow und verweist auf mehrere spurlos verschwundene Regimekritiker. Im Grundsätzlichen und in der Strategie sei sich die Opposition einig: "Wir werden mehr tun, um hinauszugehen und den Leuten zu sagen: Es liegt wirklich in euren Händen. Vergessen wird unsere Ängste und begreifen wir, dass wir eine bessere Zukunft haben können." Anders als noch vor fünf Jahren habe Lukaschenko heute seriösen Umfragen zufolge keine mehrheitliche Unterstützung im Volk, vor allem, weil er Versprechen zur Verbesserung der wirtschaftlichen und sozialen Lage nicht eingehalten habe. (DER STANDARD, Josef Kirchengast, Printausgabe, 5.4.2005)