In vielen Büros in Österreich ist die Temperatur zu hoch und die Luftqualität schlecht. Doch es gibt auch gute Beispiele für ein angenehmes Raumklima.

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Baustoffe haben einen wesentlichen Einfluss auf das Raumklima. Besonders natürliche Materialien haben einen guten Einfluss, etwa Holz. Das wissen auch die Entwickler des HoHo in der Seestadt. Ein Musterbüro ist schon fertig.

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Der Dixa One X ist ein Roboter, der den Zustand des Raumklimas misst. Ein französisches Unternehmen bietet ihn für Bürogebäude ab einer monatlichen Miete von rund 600 Euro an.

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Im Green Worx Bürogebäude in Leopoldstadt ist der Frischluft-Anteil hoch.

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Das weiß-schwarze Gerät sieht auf den ersten Blick aus wie ein mobiler, hüfthoher und futuristisch anmutender Beistelltisch. Etwas wackelig fährt es mit einem leisen Summen durch die Gänge des Büros. Nein, der Diya One X ist kein selbstfahrender Staubsauger, sondern ein Roboter, der das Raumklima in Büros verbessern und für gesündere Arbeitsplätze sorgen soll. Die Erfindung eines französischen Unternehmens kann die Lichtverhältnisse analysieren sowie Geräuschlevel, Luftqualität, Temperatur, CO2-Level und Luftfeuchtigkeit messen. Ab 600 Euro kostet der Diya One X pro Monat.

Auch wenn ein Klimaroboter vielen wohl zu weit geht: Das Klima in Büros ist ein Thema, das die Menschen immer mehr beschäftigt, weiß Thomas Schlatte von der Plattform MeineRaumluft.at, einem Zusammenschluss von Wissenschaftern und Unternehmen: "Wir atmen jeden Tag 15 Kilogramm Luft ein, sie ist unser wichtigstes Lebensmittel."

Großer Aufholbedarf

Bei Bau und Planung von Gebäuden wurde das Thema in der Vergangenheit sträflich vernachlässigt, sagt Schlatte, "weil alle nur auf die Energieeffizienz gestarrt haben. Dadurch bauen wir immer dichter, was gut ist." Dennoch dürfe nicht vergessen werden, dass Menschen sich in diesen Gebäuden wohlfühlen müssen, so der Experte. Besonders wenn sie darin arbeiten und produktiv sein sollen.

Dass es großen Aufholbedarf gibt, weiß man bei MeineRaumluft.at aus einer Untersuchung, für die die Luftqualität in 300 Büros in ganz Österreich erhoben wurde. Das Ergebnis: Der CO2-Wert wird in jedem fünften Büro überschritten, was zu Müdigkeit, Unkonzentriertheit und Kopfschmerzen führen kann. Die Luftfeuchtigkeit liegt in jedem vierten Büro unter 40, in einigen sogar bei nur 30 Prozent. "Die Luft ist dort viel zu trocken", so Schlatte. Das könne zu Reizungen der Augen, Haut und Atemwege führen.

Ein weiteres Ergebnis der Untersuchung könnte aktueller nicht sein. Demnach ist im Sommer die Temperatur in mehr als 90 Prozent der Büros zu hoch. Normalerweise liegt der Idealwert bei 20 bis 22 Grad Celsius "Im Sommer darf er sich an die Außenluft annähern, sollte aber nicht über 26 Grad steigen", sagt Schlatte. Andernfalls könnten Mitarbeiter träge, unkonzentriert, müde und damit fehleranfälliger werden.

Männliche Bedürfnisse

Das gilt jedoch nicht für alle Menschen gleich, wie deutsche Forscher unlängst herausgefunden haben. Einer Studie des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung zufolge – der STANDARD hat berichtet – sind Frauen leistungsfähiger, je wärmer es in einem Raum ist. Bei Männern ist das hingegen umgekehrt.

Schon 2015 kritisierten niederländische Wissenschafter, dass die Standardtemperaturen in Büros zu oft auf männliche Bedürfnisse ausgerichtet sind. In der aktuellen Studie aus Berlin zeigte sich, dass die teilnehmenden Frauen bei 33 Grad Celsius um 30 Prozent mehr Rechenbeispiele lösten als bei 16 Grad. Sie lieferten nicht nur signifikant mehr Antworten, sondern lagen mit ihren Lösungen auch häufiger richtig. Männer bringen hingegen unter kühlen Bedingungen bessere Leistungen.

Schon länger sei bekannt, das weiß auch Schlatte, dass das Wärme- und Kälteempfinden bei Männern und Frauen unterschiedlich ist. "Das hat physiologische Gründe." So frieren Frauen etwa schneller, weil ihre Stoffwechselrate niedriger ist und sie in der Regel weniger Muskelmasse haben als Männer.

Wetter als Thema

Kein Wunder also, dass um das Klima im Büro viel gestritten wird. MeineRaumluft.at hat Büromitarbeiter auch in diesem Punkt befragt. Mehr als ein Fünftel gaben an, häufig oder täglich über das Lüftungsverhalten und die Temperaturen im Büro zu diskutieren. "Das Wetter ist ein Thema, das die Menschen beschäftigt, das gilt auch indoor", sagt Schlatte. Gerade in Großraumbüros treffen unterschiedliche Bedürfnisse und verschiedene Klimasituationen innerhalb eines Büros aufeinander, Streitigkeiten liegen nahe.

Ob sich das Klima in Büros auch auf die Zahl der Krankenstandstage auswirkt, dazu gibt es keine verlässlichen Zahlen, weiß der Raumluftexperte, dennoch steige aktuell, nicht nur bei Bauträgern von Wohn-, sondern auch von Bürogebäuden, das Bewusstsein für Frischluft und ein gutes Klima in Innenbereichen. In diesem Punkt spielen auch bauliche Themen eine Rolle. "Ein Neubau ist nicht per se besser als ein Altbau, auch sie können gut klimatisiert sein, früher hat man ganz anders gebaut als heute", sagt Schlatte und meint vor allem moderne Glasbauten, in denen man sich mit Klimageräten behelfen muss.

"Ein Glas- oder Metallbau hat keinerlei Puffer für Wärme oder Feuchtigkeit, da muss man technisch nachhelfen mit Rückbefeuchtung oder Lüftungsanlagen. Ein massiver Altbau mit Ziegeln und Putz und viel Speichermasse hat da ein ganz anderes Raumklima."

Mehr Speicher

Dessen war man sich etwa auch im Büro Green Worx in der Lassallestraße bewusst, entwickelt von der S+B Gruppe und heute im Besitz von Union Investment. Heiz- und Kühlschlangen liegen in der Betondecke, dadurch wurde die Speicherkapazität erhöht. "Verändert sich infolge erhöhter Personenanzahl die Raumtemperatur gegenüber der Deckenoberflächentemperatur, gibt die klimaaktivierte Decke mehr Energie in den Raum ab, Temperaturveränderungen in Bürozimmern laufen langsam ab", sagt Thomas Mitterdorfer von S+B.

Weitere Maßnahmen sind eine erhöhte Luftwechselrate im Büro mit 100 Prozent Frischluftanteil, auch bei hohen und tiefen Außentemperaturen, Entfeuchtung der Zuluft im Sommer und indirekte Befeuchtung der Zuluft im Winter, zugfreie Kühlung und Heizung über eine Betonkernaktivierung sowie beheizte Fensterbänke, um dem Kaltluftschleier entgegenzuwirken.

Natürliche Stoffe

Dass Baumaterialien eine essenzielle Rolle spielen und besonders natürliche Stoffe wie Holz für ein gutes Raumklima sorgen, dessen ist sich auch der Entwickler Cetus, der das in Bau befindliche Holzhochhaus HoHo in der Seestadt baut, bewusst. "Bewohner bewerten die Luftqualität in Holzhäusern als gut, das wissen wir aus Studien", sagt Sprecherin Romana Hoffmann. Schon jetzt auf der Baustelle strahle das Holz eine Kühle aus. Das Projekt sei jedenfalls so konzipiert, dass die späteren Mieter das Klima im Gebäude selbst in der Hand haben. Bis ins oberste Stockwerk können – ganz untypisch für ein Hochhaus – die Fenster geöffnet werden.

Auch im Silo Plus von Erste Group Immorent und Strabag Real Estate in Liesing können die Mitarbeiter die Fenster öffnen. "Bauteilaktivierte Decken schaffen ein angenehmes Raumklima. Die Beschattung der Fassade ist elektronisch gesteuert und trägt zu einem entsprechend guten Raumklima bei", sagt Stephanie Mache-Joussein vom zuständigen Büro KS Ingenieure. Weiters sorgen gut gedämmte Wände samt Fenstern dafür, dass Oberflächen an der Innenraumseite im Winter nicht zu kalt werden und sich im Sommer nicht zu stark aufheizen. Und gerade in diesen Tagen zeigt sich, was das bringen kann. (Bernadette Redl, 28.6.2019)