Die Hautzellen der verzierten Oberarme von Jonathan Schmid, Shawn Parker und Philipp Max vom FC Augsburg erneuern sich immer wieder selbst. Die Tinte nehmen die neuen Zellen wieder auf.

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Rund 40 Prozent der Europäer sind tätowiert. Die mit der Nadel in die Haut gesetzte Tinte hält meist das gesamte Leben. Doch 27 Prozent bereuen es, sich das Tattoo stechen gelassen zu haben – ob nun der Seemannsanker auf dem Oberarm oder das oft verspottete Arschgeweih. Derzeit werden ungeliebte Tätowierungen überwiegend mit einem Laser entfernt. Mit den neuen Erkenntnissen über die Hautzellen, die die Tinte aufnehmen, könnten in weiterer Folge neue und schonendere Methoden zur dauerhaften Entfernung entwickelt werden.

Die Salzburger Immunbiologin Helen Strandt hat für einen Teil ihrer Dissertation tätowierte Haut genauer unter die Lupe genommen. Über das Doktoratsprogramm am Fachbereich Biowissenschaft der Universität Salzburg machte sie ein halbes Jahr lang ein Praktikum in Frankreich, das vom Forschungsförderungsfonds finanziert wurde. Sie war Teil eines Forschungsprojekts zur Bedeutung der Hautzellen für die Langlebigkeit von Tätowierungen an der Aix Marseille Université rund um Anna Baranska und Sandrine Henri.

Fresszellen nehmen Tinte auf

Die Forscher haben im Vorjahr herausgefunden, dass die sogenannten Makrophagen – die Fresszellen des Immunsystems – die Tinte in der Dermis aufnehmen. "Die fressen auch Bakterien, Viren und alte Zellen. Die räumen auf und sind sozusagen die Hausmeister in der Haut", erklärt Helen Strandt. Durch die beim Tätowieren entstehenden Verletzungen werden diese Zellen alarmiert und nehmen die fremden Partikel auf. Unter dem Mikroskop sind dann kleine grüne Punkte in den Zellen sichtbar.

Stirbt einer der Makrophagen, der Farbe gefuttert hat, gibt er die Pigmente frei. Aber bereits kurz darauf wird die Farbe wieder von einer neuen Zelle verspeist. Das macht die Tattoos haltbar für die Ewigkeit, und deshalb bleiben sie auch an derselben Stelle. Der Prozess läuft so schnell ab, dass sich die Pigmente noch nicht im gesamten Körper verteilt haben und beispielsweise über die Lymphflüssigkeit abtransportiert werden konnten.

Mäuseschwanz tätowiert

Helen Strandt hat im Zuge des Projekts auch die Fibroblasten unter das Mikroskop gelegt. Die Zellen, die im Bindegewebe vorkommen und helfen, dass die Haut zusammenhält, nehmen nämlich auch Tinte auf. "Der Unterschied ist, dass sie viel weniger Tinte drinnen haben als die Makrophagen, aber es sind von der Anzahl her viel mehr", sagt Strandt. "Nur wenige Makrophagen speichern große Mengen Tinte. Kleinere Mengen Tätowierfarbe werden von einer großen Anzahl von Fibroblasten gespeichert", fasst die Biologin zusammen.

Für die Experimente wurden Mäuse unter Narkose am Schwanz mit grüner Tinte tätowiert. "Wir arbeiteten mit Mäusen, da die Haut von Mäusen der menschlichen Haut sehr ähnlich und auch einfacher zu handhaben ist", sagt die junge Wissenschafterin. Das Tattoo musste zunächst drei bis vier Wochen verheilen. Dann wurde die Maus getötet, der Schwanz abgenommen und die tätowierte Haut in Enzyme eingelegt, die das Gewebe aufweichten und die Zellen freigaben, schildert die Dissertantin der Biowissenschaften den Versuchsablauf.

Medikamentöse Attacke auf Zellen

Trotz der hohen Anzahl an Tätowierungen wisse die Forschung noch sehr wenig über die Körperkunst, sagt Helen Strandt. Die Forschungsergebnisse sind ein erster Schritt, um andere Methoden zur Entfernung von Tattoos entwickeln zu können. "Etwa ein Mittel, das den Zellen sagt: Spuck die Tinte aus! Oder eine Creme, die auf Merkmale der Oberfläche der Zellen reagiert", nennt Helen Strandt Beispiele. Die derzeit übliche Methode des Laserns ist ein langes Prozedere mit mehreren Sitzungen, teuer und schmerzhaft. Mit einer gezielten medikamentösen Attacke auf die Farbe aufnehmenden Zellen und ihre hungrigen Nachfolger könnte der Abbau der Farbe vorangetrieben werden. Für Menschen, die auf eine schnelle Lösung für ihre ungeliebten Tattoos hoffen, heißt es also erst noch warten.

Helen Strandt hat für ihre Forschung zu den Auswirkungen der Tätowierungen auf die zellulären Feinheiten der Haut den Young Scientist Award der Uni Salzburg erhalten. Ihre Dissertation zum Immunsystem in der Haut soll Ende des Jahres fertig werden. (Stefanie Ruep, 28.6.2019)