In seinem neuen Büro in der Wiener Doblhoffgasse erklärt sich Norbert Hofer, nun FPÖ-Chef und bis vor kurzem Infrastrukturminister, bereit für eine Neuauflage von Türkis-Blau. Dafür wägt der Freiheitliche seine Worte sichtlich ab, und kein böses Wort entkommt ihm über ÖVP-Obmann Sebastian Kurz, der nach Publikwerden des Ibiza-Skandals rund um Hofers Vorgänger Heinz-Christian Strache die Koalition aufgekündigt hat. "Wie im privaten Leben muss man auch in der Politik Dinge wegstecken können, um eine neue Basis für eine Zusammenarbeit zu schaffen", sinniert der 48-Jährige. Doch dann nennt Hofer doch eine "Verhandlungssache", bevor er mit der ÖVP im Herbst weiterregieren möchte.

"Wenn ich als Minister unterwegs war, habe ich von den Leuten oft gehört: 'Machts weiter so – und tuts ja net streiten!'", erzählt Norbert Hofer.
Foto: Robert Newald

STANDARD: Im anlaufenden Nationalratswahlkampf betont Altkanzler und ÖVP-Chef Kurz gern, dass er während seiner Regentschaft wegen Ihrer Partei viel aushalten und runterschlucken musste. Wie hat sich sein Leidensdruck intern bemerkbar gemacht?

Hofer: Natürlich haben wir bei Vorfällen wie dem Rattengedicht in Braunau (vom abgetretenen FPÖ-Vizebürgermeister verfasst, Anm.) besprochen, was zu tun ist. Genauso wie man sich zu den berüchtigten Postings der SPÖ Langenzersdorf ausgetauscht hat. Eines kann ich Ihnen aber versichern: Heftig wurde es bei uns nie.

STANDARD: NS-Gedankengut, BVT-Affäre, Identitären-Nähe, Ibiza-Skandal: Fakt ist, dass die FPÖ in Regierungsverantwortung regelmäßig Exzesse geliefert hat. Wäre Ihre Partei in der Opposition künftig nicht besser aufgehoben?

Hofer: Demnächst möchte ich für die FPÖ jedenfalls strenge Richtlinien für Social Media festlegen. Und was die Identitären betrifft: Da habe ich schon 2016 gesagt, dass ich mit diesen Herrschaften nichts zu tun haben will, dass ich sie nicht bei meinen Veranstaltungen haben will und auch sonst keinen Kontakt haben will – und das werde ich als FPÖ-Obmann durchziehen. Damit prägt man eine Partei.

STANDARD: Im EU-Wahlkampf hat Ihr Vorgänger Strache noch mit dem rechtsextremen Terminus "Bevölkerungsaustausch" hantiert, da gab es keinen vernehmbaren Widerspruch.

Hofer: Ich werde dieses Vokabular sicher nicht verwenden. Ich spreche lieber von einer Änderung der Struktur der Bevölkerung. Wenn Sie in einem Gemeindebau leben und Sie können sich dort mit niemandem mehr unterhalten, weil keiner Ihre Sprache versteht, dann muss die Politik entsprechende Antworten geben. Und für mich lautet die richtige Antwort, dass wir besser darauf schauen, wer neu ins Land kommt.

STANDARD: Was ist mit dem Bericht der FPÖ-Historikerkommission, die die braunen Flecken in der blauen Parteigeschichte aufarbeiten soll? Wird daraus noch etwas?

Hofer: Am Wochenende habe ich den Vorbericht gelesen – und in etwa vierzehn Tagen ist es so weit. Da werden wir den Bericht präsentieren.

STANDARD: Ist Opposition aus Ihrer Sicht nun Mist, eine Neuauflage von Türkis-Blau eine jedenfalls anzustrebende Option?

Hofer: Wenn ich als Minister unterwegs war, habe ich von den Leuten oft gehört: "Machts weiter so – und tuts ja net streiten!" Daher würde ich die Koalition mit der ÖVP bei einem guten Wahlergebnis für uns, also über zwanzig Prozent, gern fortsetzen – damit wir unser Regierungsprogramm weiter abarbeiten können. Denn das war gut. Wenn das nicht gelingt, dann werden wir das akzeptieren und gehen eben in Opposition.

STANDARD: Von Ihrer Seite gäbe es nach dem unrühmlichen Ende keinerlei Bedingungen, um mit der ÖVP weiterzumachen?

Hofer: Mir geht es vor allem um das Umsetzen von Inhalten. Eine Verhandlungssache für eine Neuauflage wäre für uns jedoch, dass erfolgreiche Volksbegehren eine bindende Volksabstimmung nach sich ziehen – und zwar nicht, wie im alten Regierungsübereinkommen vorgesehen, erst ab 900.000 Unterschriften. Diese hohe Hürde sollte gesenkt werden.

"Wenn wir in Opposition gehen, könnte ich bei der nächsten Bundespräsidentenwahl schon antreten", lautet eine der Überlegungen von Hofer.
Foto: Robert Newald

STANDARD: Wie wollen Sie garantieren, dass Ihnen Ex-Vizekanzler Strache und seine Frau Philippa nicht ständig als Schattenobleute hineinregieren?

Hofer: Diese Frage stellt sich nicht. Denn nach dem anstrengenden Bundespräsidentschaftswahlkampf habe ich das große Glück, dass ich mit mehr als 46 Prozent das beste Wahlergebnis in der FPÖ-Geschichte verantworten darf. Damit hat man als Obmann ein gewisses Gewicht.

STANDARD: Würde Sie eine Wiederkandidatur bei der Hofburg-Wahl immer noch reizen?

Hofer: Wenn es uns gelingt, die Koalition fortzusetzen, dann werde ich die Regierung nicht verlassen, um für die Hofburg zu kandidieren. Aber wenn wir in Opposition gehen, könnte ich bei der nächsten Bundespräsidentenwahl schon antreten.

STANDARD: Apropos Kandidatur: Als Voraussetzung für eine Entscheidung rund um Straches Antreten bei der Wien-Wahl nächstes Jahr definierten Sie die Aufklärung der Vorgänge rund um das Ibiza-Video. Welche Details würden seine Aussagen rund um die Vergabe von Bauaufträgen, Wasserverkauf und Journalistenaustausch bei der "Krone" relativieren?

Hofer: Worte wie diese kann man nicht zurücknehmen, und das alles ist schwer entschuldbar. Das ist wie bei der Zahnpasta: Wenn die einmal draußen ist, bringt man sie nicht mehr zurück in die Tube. Wichtige Antworten auf diverse Fragen gäbe es aber schon: Wurden ihm Suggestivfragen gestellt? War etwas in den Getränken? Daher lasse ich die Frage nach Straches Kandidatur offen. Was mich an der Sache so getroffen hat: In dem Video wurden Dinge angesprochen, die das Infrastrukturressort unter meiner Amtsführung betroffen hätten. Deswegen habe ich die Übergangsminister sofort darum gebeten, das zu überprüfen – und ich kann Ihnen versichern: Strache hat mich kein einziges Mal auf die Vergabe von Bauaufträgen angesprochen.

"Das ist wie bei der Zahnpasta: Wenn die einmal draußen ist, bringt man sie nicht mehr zurück in die Tube": Hofer über die schwer entschuldbaren Worte von Strache auf Ibiza.
Foto: Robert Newald

STANDARD: Wurde es angesichts des Ibiza-Videos emotional zwischen Ihnen?

Hofer: Aus dem Alter, in dem man bei so etwas laut wird, bin ich heraus.

STANDARD: Sie haben sich gar nicht gewundert, was bei der FPÖ alles möglich ist?

Hofer: Ich habe mich nicht darüber gefreut, was alles möglich war. Aber ich bin Techniker, und wenn grobe Probleme auftreten, muss man zuerst Abstand gewinnen. In einer solchen Phase bist du Troubleshooter, der zwei Millionen Stimmen im Gepäck und damit das Gewicht hat, seine Entscheidungen durchzusetzen.

STANDARD: Im Zuge des Ibiza-Skandals wurde auch publik, dass FPÖ-nahe Vereine Spenden in der Höhe von mehreren Hunderttausend Euro lukriert haben. Wieso haben Sie nicht gleich alles offenlegen lassen und dem Rechnungshof zur Prüfung übergeben?

Hofer: Weil das nicht unsere Vereine sind. Aber ich habe nach Kenntnisnahme des Videos bei ihnen sofort Prüfungen angeregt und mir die Spenderlisten vorlegen lassen – und glauben Sie mir, nichts davon ist an die Freiheitliche Partei geflossen.

STANDARD: Die Durchsicht erfolgte durch selbstgewählte Wirtschaftsprüfer, und die Medien mussten tagelang nachbohren, bis Details bekannt wurden.

Hofer: Mir war wichtig herauszufinden, ob es Zuwendungen von Spendern gibt, die Strache im Video genannt hat – und die gab es sicher nicht.

STANDARD: Wird Ihre Partei in diesem Wahlkampf bei Spenden Transparenz walten lassen und sich an die Wahlkampfkostenobergrenze von sieben Millionen Euro halten, die man 2017 mit satten 3,7 Millionen überschritten hat?

Hofer: Diesmal werden wir uns definitiv an das Limit halten – und auch alles, was Personenkomitees und Vereine betrifft, einberechnen. Außerdem treten wir für eine Spendenobergrenze von 3.500 Euro ein.

"Alles fokussiert sich auf die Tempo-140-Teststrecken, obwohl die meisten Leute das ohnehin auf der Autobahn fahren": Als Ex-Verkehrsminister fühlt sich Hofer auf eine einzige Maßnahme reduziert.
Foto: Robert Newald

STANDARD: Neuerdings will Ihre Partei auch auf Umweltthemen setzen. Wie geht das mit Ihrer Gaspedal-Politik als Verkehrsminister zusammen, siehe Tempo-140-Teststrecken, Rechtsabbiegen bei Rot in Linz et cetera?

Hofer: Alles fokussiert sich auf die Tempo-140-Teststrecken, obwohl die meisten Leute das ohnehin auf der Autobahn fahren. Man muss aber auch sehen, was ich sonst alles veranlasst habe: die Rekordinvestitionen in die Schiene, dann die Nahverkehrsmilliarde ...

STANDARD: Verzichten Sie selbst angesichts der Klimaveränderung mittlerweile auf Flüge?

Hofer: Da erwischen Sie mich auf dem falschen Fuß. Als begeisterter Pilot fliege ich gern mit meiner kleinen Cessna – auch in den Urlaub nach Kroatien. Aber mit dem Auto würde ich dorthin acht Stunden brauchen, mit dem Flugzeug eine Stunde und zehn Minuten. Daher kann man da kaum von einer Mehrbelastung sprechen. (Nina Weißensteiner, 25.6.2019)